Hochrangige Männchen haben bei Hyänenweibchen bessere Chancen, weil sie weniger „gestresst“ sind als rangniedrige Männchen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) haben herausgefunden, dass die Interaktion mit anderen Männchen für rangniedrige Tüpfelhyänenmännchen "stressiger" ist als für hochrangige. Dies schränkt die Zeit und Energie ein, die rangniedrige Männchen in das Werben um die begehrtesten Weibchen investieren können und ist daher ein Schlüsselfaktor für ihren geringeren Fortpflanzungserfolg als der ihrer ranghohen Rivalen. Dieser Mechanismus scheint für die Anzahl und Qualität der Nachkommen wichtiger zu sein als körperliche Merkmale wie Attraktivität und Stärke. Diese Erkenntnisse waren dank einer Kombination aus umfangreicher Feld- und Laborarbeit möglich – über 20 Jahre lang verfolgten die Forscher den Lebenslauf Hunderter von Hyänen im Ngorongoro-Krater im Norden Tansanias, beobachteten ihr Verhalten und maßen die Konzentration von Glukokortikoid-Stoffwechselprodukten in mehr als 400 Kotproben. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift "Functional Ecology" veröffentlicht.

In den meisten Tiergesellschaften werden die Ressourcen nicht gleichmäßig unter den Mitgliedern einer Gruppe aufgeteilt. Diejenigen, die an der Spitze der sozialen Hierarchie stehen, haben bevorzugten Zugang zu Nahrung, zu Ruheplätzen und zu den begehrtesten Paarungspartnern. Da evolutionäre Prozesse diejenigen begünstigen, die sich am meisten fortpflanzen, investieren viele Tiere erhebliche Ressourcen, um einen hohen Rang zu erreichen und zu halten. Zudem ist der innergeschlechtliche Wettbewerb um den Zugang zu Partnern oft intensiv. „Wir wollten herausfinden, wie Männchen unterschiedlichen Ranges in ihrem Verhalten und ihrem Hormonhaushalt auf diese Konkurrenz reagieren und wie genau der soziale Rang den Fortpflanzungserfolg bei sozialen, in Gruppen lebenden Säugetieren beeinflusst“, sagt Dr. Oliver Höner, Leiter des Leibniz-IZW Ngorongoro-Hyänen-Projekts. „Eine oft angeführte Hypothese besagt, dass ranghöhere Männchen erfolgreicher bei der Paarung sind, weil sie durch ihren bevorzugten Zugang zu Ressourcen stärker und/oder attraktiver sind. Empirische Belege für diese Hypothese sind jedoch begrenzt.“ Eine andere Hypothese betont die soziale Dimension von Dominanzbeziehungen und besagt, dass rangbedingte Unterschiede in den physiologischen Kosten („Stress“) der Konkurrenzsituation unter den Männchen ihr Verhalten und letztlich ihren Fortpflanzungserfolg beeinflussen. „Diese Hypothese ist bislang nicht in Systemen getestet worden, in denen sich die Vorhersagen beider Hypothesen gleichzeitig und getrennt voneinander prüfen lassen“, erklärt Höner das Ziel der Untersuchung seines Teams.

Das Forschungsteam untersuchte das Zusammenspiel zwischen dem sozialen Rang der Männchen sowie den physiologischen Kosten und Investitionen der Männchen bei sozialen und sexuellen Aktivitäten. Sie maßen die fäkalen Glukokortikoid-Metaboliten-Konzentrationen (fGMC) als Biomarker für „Stress“ und glichen diese mit Langzeit-Verhaltensdaten von 319 männlichen Hyänen ab. „Wenn Männchen um Weibchen buhlten und mit männlichen Konkurrenten interagierten, hatten rangniedrige Männchen höhere fGMC-Werte als ranghohe Männchen“, sagt Erstautorin Eve Davidian. „Im Gegensatz dazu variierte der fGMC-Wert nicht mit dem sozialen Rang, wenn die Männchen allein waren oder wenn sie Weibchen umworben haben und keine Rivalen anwesend waren.“ Männchen mit niedrigem Rang neigten daher dazu, den offensichtlich stressigen Wettbewerb zu scheuen; sie verbrachten mehr Zeit allein und weniger Zeit mit sozialen und sexuellen Aktivitäten als die Männchen mit hohem Rang. Sie investierten auch weniger als hochrangige Männchen in das Werben um die begehrtesten Weibchen. Männchen, die wenig in das Umwerben von Weibchen investierten, wurden seltener als Väter ausgewählt und zeugten weniger Nachkommen.

Aber warum sind rangniedrige Männchen durch Interaktionen mit Rivalen stärker „gestresst“? Eve Davidian vermutet, dass der Grund damit zusammenhängt, dass die rangniedrigen Männchen oft Neuankömmlinge in der Gruppe sind. „Diesen Männchen fehlen Freunde, auf die sie sich verlassen und mit denen sie Zeit verbringen können, und sie haben auch keine Sündenböcke, auf die sie ihre Aggressionen umlenken können – ein Verhalten, das Tüpfelhyänen häufig zeigen und ihnen wahrscheinlich hilft, Frustration abzubauen und Stress zu bewältigen.“

Diese wissenschaftliche Untersuchung zeigt, dass intrasexuelle Konkurrenz rangbedingte Unterschiede in „Stress“, Verhalten und Fortpflanzungserfolg hervorrufen kann, selbst bei einer Spezies wie der Tüpfelhyäne, bei der Dominanzbeziehungen auf der Grundlage gewaltfreier sozialer Regeln etabliert werden. Bei Arten, in denen Männchen um die Vorherrschaft kämpfen, können die Kostennachteile des Wettbewerbs für rangniedrige Männchen sogar noch hemmender für ihr Verhalten sein. Dies könnte erklären, warum bei vielen dieser Arten rangniedrige Männchen überhaupt keine Weibchen umwerben oder „heimliche“ Taktiken anwenden, die den Wettbewerb mit Rivalen minimieren, etwa das Umwerben von Weibchen, wenn die ranghohen Männchen anderweitig beschäftigt sind.

Publikation

Davidian E, Wachter B, Heckmann I, Dehnhard M, Hofer H. Höner OP (2020): The interplay between social rank, physiological constraints and investment in courtship in male spotted hyenas. Functional Ecology.
https://doi.org/10.1111/1365-2435.13733

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