Mit der Dauerleihgabe kommt eines der umfangreichsten und wichtigsten Konvolute von Beuys-Zeichnungen aus Privatbesitz nach Dresden. Zusammengetragen in unmittelbarer Nähe zum Künstler – Heiner Bastian war langjähriger Sekretär und Vertrauter von Beuys – repräsentieren die Arbeiten nicht nur ein meisterhaftes Œuvre der Zeichenkunst des 20. Jahrhunderts, sie geben auch Zeugnis über das enge Band zwischen dem Künstler und der Familie Bastian. Nach den Schenkungen der Sammlung Hoffmann von Erika und Rolf Hoffmann und dem Archiv der Avantgarden von Egidio Marzona gelangt damit eine weitere private Kunstsammlung, in diesem Falle als langjährige Leihgabe, aus Berlin an die SKD.
Das Zeichnungskonvolut ist in seinem Umfang und seiner Qualität einzigartig. Die Arbeiten bilden das Gesamtwerk des Künstlers ab: Das früheste Blatt ist 1945 entstanden, das späteste erst gut ein Jahr vor Beuys‘ Tod 1986. Den Auftakt bilden Collagen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit und zarte Bleistiftzeichnungen sowie Aquarelle aus den 1950er-Jahren. Das zeichnerische Werk der 1960er-Jahre, als Beuys Professor für monumentale Bildhauerei an der Düsseldorfer Kunstakademie war, steht in einer produktiven Wechselbeziehung zur Radikalisierung seiner künstlerischen Auffassung. Zahlreiche Papierarbeiten der 1970er- und 1980er-Jahre haben textliche sowie diagrammhafte Anteile und stehen in Beziehung zu Beuys‘ gesellschaftlichem Engagement. Zugleich zeichnen sich auch die späteren Arbeiten durch eine nicht nachlassende Kraft und künstlerische Vielseitigkeit aus. Die Zeichnungen sind aufs engste mit den plastischen, performativen und politischen Arbeiten von Beuys verbunden, da sie das Gesamtwerk kontinuierlich durch fünf Jahrzehnte mitentwickelt haben und es abbilden. „Als ein zentrales Element der Beuys-Sammlung sehe ich das Verhältnis des Künstlers zur Natur: im Sinne des Bestrebens, etwas Ursprüngliches zu finden, das weniger mit der Gegenwart zu tun hat, in der Beuys lebt, sondern an die Anfänge der Geschichte zurückzugehen und das Verhältnis des Menschen zum Kosmos zu betrachten, seinen Urzustand zu suchen.“, so Aeneas Bastian, Galerist und Sammler aus Berlin.
Den Beginn der Zusammenarbeit zwischen der Familie Bastian und den SKD markiert die Schenkung einer wichtigen Zeichnung aus dem Konvolut an das Kupferstich-Kabinett: Das Blatt „Raum für Filzplastiken“ von 1963 zeigt beispielhaft das künstlerische Gewicht der Zeichnungen im Œuvre des Künstlers. Es entstand in einer entscheidenden Phase seines Wirkens als Beuys Akademielehrer in Düsseldorf war, erste Fluxus-Aktionen durchgeführt und sein bildnerisches Werk um Filz, Fett und Wachs erweitert hatte. Die Zeichnung deutet eine Raumsituation an, die ein energetisches Spannungsfeld aus Flächen und Linien, aus Ruhe und Bewegung zu erzeugen scheint. Das Werk ist der autonome Ausdruck einer künstlerischen Suchbewegung, die im kleinen Format dieselbe Kraft entfaltet und Berechtigung hat wie die plastischen Arbeiten selbst.
Nicht zuletzt wegen des anstehenden 100. Geburtstages des Künstlers 2021 stellt die Beuys-Sammlung der Familie Bastian einen bedeutenden Zugewinn für die SKD dar. Das vorhandene Œuvre des Künstlers, das schon seit Anfang der 1970er-Jahre Eingang in die Sammlung des Dresdner Kupferstich-Kabinetts fand, besteht mehrheitlich aus Plakaten und Postkarten der Edition Staeck.
Auch wenn nur wenige Einzelausstellungen von Beuys in der DDR stattfanden, waren Beuys‘ künstlerische Ideen präsent. „Joseph Beuys hatte, vielleicht gerade durch seine Abwesenheit, auf die Künstler*innen in der DDR eine große Wirkung ausgeübt. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass es durch die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Bastians und durch deren Begeisterung für die Qualität des Kupferstich-Kabinetts und der SKD möglich geworden ist, dass nicht nur Leihgaben, sondern auch eine Schenkung übergeben werden können“, so Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
Stephanie Buck, Direktorin des Kupferstich-Kabinetts, ergänzt: „Die Dauerleihgabe ermöglicht uns, den Zeichner Beuys in Dresden als kreative Kraft kennenzulernen. Die Zeichnungen führen den Betrachter ganz nah an den Künstler Beuys heran, erlauben gleichsam einen Blick über die Schulter während seines Denk- und Arbeitsprozesses. Sie lassen die Präsenz und Energie der berühmten Braunkreuz-Farbe oder von Gelatine, Schellack und anderen delikaten Materialien sinnlich erleben. Dazu planen wir nicht nur Präsentationen, sondern auch informelle Gespräche mit Expert*innen und Künstler*innen im Studiensaal in analogen und digitalen Formaten, um so die Möglichkeit für unmittelbare pulsierende Begegnungen zu schaffen“.
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