Vor ihrer Erkrankung ging Annette Kroller gerne mit ihrem Mann und ihrem Hund auf lange Spaziergänge. Sie war viel unterwegs, kümmerte sich um ihre Mutter, war aktiv in verschiedenen Gruppen und Kreisen. Doch die Diagnose Krebs veränderte mit einem Schlag ihr gesamtes Leben. Es war im Juni 2020, als Kroller unter Ausfallerscheinungen in den Armen leidet. Ihr Arzt stellt über verschiedene bildgebende Verfahren fest, dass ihre Oberarmknochen stark metastasiert sind, sie also an Krebs erkrankt ist, der in die Knochen gestreut hat. Ein Schock. Weitere Untersuchungen geben Gewissheit – Kroller ist an Brustkrebs erkrankt. Weite Teile ihrer Knochenstruktur, besonders die der Arme, sind so porös, dass ein operativer Eingriff von Nöten ist. „Die Entdeckung des Brustkrebses war eigentlich zufällig. Hätte ich die starken Beschwerden in den Armen nicht gehabt, er wäre unentdeckt geblieben“, sagt Kroller
Mehrere Operationen notwendig
Bei Professor Dr. Stefan Huber-Wagner, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie, Wirbelsäulenchirurgie und Alterstraumatologie am Diak Klinikum in Schwäbisch Hall, findet sie Hilfe. „Noch bevor wir operativ beginnen konnten, haben wir Frau Kroller nochmals umfänglich mittels bildgebender Verfahren untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass nicht nur die Oberarme stark von den Metastasen betroffen waren, sondern auch die Wirbelsäule, das Brustbein und die Rippen. Von Anfang an war uns damit klar, dass die Stabilisierung der Oberarmknochen nur ein erster Schritt für Frau Kroller sein konnte“, sagt der Chefarzt. Mitte August ist es dann soweit. Die Oberarme von Frau Kroller werden mit sogenannten Humerusnägeln stabilisiert. Der Experte erklärt: „Beide Oberarmknochen wurden der Länge nach durchbohrt – an der Stelle des gebohrten Loches werden die etwa 20 Zentimeter langen Nägel eingebracht und fixiert. Die weitere Beweglichkeit der Arme und auch die Fähigkeit zur Belastung bleiben somit erhalten.“ Ein erster, wichtiger Erfolg für Annette Kroller und die Unfallchirurgen am Diak Klinikum. Doch noch ein weiterer, diesmal sehr besonderer Eingriff, steht noch aus. In Annette Krollers Fall war die Brustwirbelsäule, insbesondere der 11. Wirbel, durch die Metastasen stark angegriffen und drückte auf das Rückenmark. Würde sie nicht operiert werden, würde sich der Wirbel gänzlich ins Mark drücken, was neurologische Ausfälle und letztlich eine Querschnittslähmung bedeuten würde.
3-D Navigation schafft höchste Präzision
Die Wirbelsäulenchirurgie erfordert von den Operateuren enorme Genauigkeit und Präzision. Um jedoch bei schwierigen Eingriffen, wie beispielsweise dem, der Frau Kroller bevorstand, noch genauer agieren zu können, wurde im September dieses Jahres ein 3-D-Operationsnavigationssystem am Diak-Klinikum angeschafft – das ist Hightech-Medizin. Das System besteht aus einem Hochleistungscomputer, einem großen Bildschirm, einer Infrarot-Kamera und sogenannten „Referenzsternen“, einmal für das Operationsbesteck selbst und einmal für die zu operierende Stelle. „An das Operationsbesteck, beispielsweise dem Bohrer, wird ein solcher „Stern“, ein Metallgestänge mit reflektierenden Kugeln, angebracht. Auch auf der freigelegten Wirbelsäule wie im Falle von Frau Kroller, wird ebenso ein solcher Stern fixiert.“ Was dann passiert, ist für niemanden sichtbar und technisch höchst anspruchsvoll. Die „Sterne“ und die Kamera kommunizieren via Computer miteinander. „Die Kugeln reflektieren das Infrarotlicht der Kamera und zeigen dieser so, wo genau sich gerade das Operationsbesteck im Bereich der Wirbelsäule befindet“, erklärt Professor Huber-Wagner und ergänzt: „Durch die vor der Operation mittels MRT und CT aufgenommenen Bilder, die im System zu einem komplexen 3-D Abbild zusammengefügt werden und der Kommunikation der „Sterne“, kann ich nun einen umfassenden, höchst präzisen Blick auf den von mir zu operierenden Wirbel erhalten.“
Vertrauen in die Erfahrung
Gegen Ende Oktober wird Annette Kroller erneut am Diak Klinikum operiert, diesmal an der Wirbelsäule. „Mittels einer sogenannten dekompressiven Laminektomie haben wir zunächst den Rückenmarkkanal erweitert, sodass das Rückenmark wieder Platz hatte. Dadurch ist der Wirbelsäulenabschnitt selbst aber noch instabil, kann alltäglichen Bewegungen, denen ein Körper ausgesetzt ist, nicht standhalten. Deshalb muss der Wirbelsäulenabschnitt fixiert und mit einem Schrauben-Stab-System stabilisiert werden.“ Hier kam die innovative Operationstechnik des 3-D-Navigations-Systems nun zum Einsatz. Der auf der Wirbelsäule sowie der am Bohrer des Professors angebrachte Stern mit den Kugeln kommunizierte nun via Infrarotlicht mit dem Rechner. Prof. Huber-Wagner sieht nun auf einem großen Monitor, wo genau die Platzierung und Fixierung durch die Schrauben optimal wäre. „Man darf sich dieses System nicht so vorstellen, als wäre es ein Roboter, der dem Operateur das Arbeiten abnimmt. Vielmehr ist das System dazu da, mich bei meiner Arbeit zu unterstützen und mir dabei zu helfen, die bestmögliche Position von Schrauben zu erkennen und präzise in die Realität umzusetzen. Es ist letztlich die Bohrung der Schraubenlöcher, die navigiert wird.“ Das macht einen solchen hochkomplexen Eingriff noch sicherer und kontrollierbarer. Huber-Wagner vergleicht die Technik mit der eines Piloten im Cockpit – der muss auch selbst fliegen, hat jedoch technische Assistenzsysteme.
„Ich hatte großes Vertrauen in die Arbeit von Professor Huber-Wagner und war dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, durch ein solch modernes und in der Chirurgie bestens etabliertes System operiert werden zu können“, sagt Annette Kroller. „Ich war offen für die Methode.“ Tatsächlich gibt es schon viele Jahre, insbesondere an großen Kliniken, navigierte Operationstechniken. Huber-Wagner selbst operierte bereits in München seit mehr als einem Jahrzehnt mit solch hochspezialisierten Techniken. „Für mich ist die Möglichkeit, hier am Diak mit derartigen Verfahren zum Wohle meiner Patienten behandeln zu können, ein toller Beweis dafür, dass Schwäbisch Hall als Medizinstandort vorne mit dabei ist“, freut sich der Unfallchirurg. Und nicht nur im Bereich der Unfallchirurgie ist die Technik bestens geeignet, am Diak Klinikum operieren auch die Neurochirurgen und HNO-Experten mit dieser Präzisionstechnik.
Der Weg der Regeneration
14 Tage lang lag Annette Kroller im Diak Klinikum, ehe sie wieder nach Hause in Richtung Ansbach entlassen wurde. Regelmäßige leichte Physio- und Bewegungstherapien sind für sie nun besonders wichtig. „Ich hätte auch in eine stationäre Reha-Einrichtung gehen können. Gerade aber jetzt in Coronazeiten, wo Besuche und soziale Kontakte auf ein Minimum reduziert werden, war das für mich nicht denkbar. Ein Mensch wird nicht alleine gesund durch die gute medizinische Betreuung. Auch die psychosozialen Aspekte spielen eine große Rolle – und für mich ist mein vertrautes Umfeld wichtig, um mich auf meine Genesung zu konzentrieren“, beschreibt Annette Kroller ihre Entscheidung für eine ambulante Nachsorge. Kleine, leichte Spaziergänge mit ihrem Mann und ihrem Hund sind für sie nun wichtig und von Woche zu Woche merkt sie Fortschritte. „Konnte ich nach meinem ersten Eingriff in den Armen nur einen halben Kilometer gehen ohne dass ich Schmerzen hatte, sind es nun schon 1,5 Kilometer. Das ist ein schönes Zeichen und gibt mir Lebensqualität zurück.“ Regelmäßig bekommt sie nun Hausaufgaben ihrer Therapeuten, die sie gewissenhaft zu Hause macht. Optimistisch sagt sie „Ich bin ein konsequenter Mensch, der sich an die gegebenen Vorgaben hält. Nur das kann helfen, wieder gesund zu werden. Man will ja selber auch wieder raus aus dieser ganzen Krankheit.“
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