Hummerhandel zwischen EU und USA gefährdet den bedrohten Nordatlantischen Glattwal

Das EU Parlament traf gestern eine Entscheidung, die sich negativ auf die Überlebenschance der stark bedrohten Nordatlantischen Glattwale auswirken könnte. Die Abgeordneten stimmten für die Abschaffung von Zöllen auf den Import US-amerikanischer Hummer. Häufigste Todesursache für die verbliebenen etwa 360 Wale dieser Art ist das Verfangen in Rückholleinen von Hummerfallen am Meeresboden im Nordosten der USA.

Die Abstimmung im Parlament geht auf ein Mini-Handelsabkommen mit den USA vom August dieses Jahres zurück. Es enthält die Aufhebung eines acht prozentigen Zolls auf Hummer-Importe aus den USA. 15 Prozent aller Hummerimporte in die EU stammen laut EU Kommission aus den USA.

„Mit nur noch maximal 360 Tieren sterben die Nordatlantischen Glattwale innerhalb der nächsten Jahrzehnte aus, wenn wir nicht tödliche Gefahren wie etwa diese Rückholleinen beenden.“, sagt Andreas Dinkelmeyer, Kampagnenleiter des IFAW (International Fund for Animal Welfare). „Die EU Kommission und das Parlament hätten hier Verantwortung übernehmen und auf die Abschaffung dieser Rückholleinen in der Hummerfischerei drängen müssen. Beide Gremien haben ihr Versprechen, die Biodiversität zu schützen, ignoriert. Der Europäische Rat muss zwar formal noch zustimmen, dies gilt jedoch als sicher. Es ist enttäuschend, dass auch die Mitgliedsländer nichts unternehmen, um dem Nordatlantischen Glattwal zu helfen.“

Im August hatte die Vergabeorganisation von Siegeln für nachhaltig gefangene Fische und Schalentiere MSC (Marine Stewardship Council) Hummer aus dem Golf von Maine das Nachhaltigkeitssiegel entzogen. Grund dafür sind die Rückholleinen der Hummerfallen, die in der Wassersäule stehen. Die ehemalige Europaabgeordnete Catherine Bearder hatte 2019 den Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius auf die Gefahren der Hummerfischerei für den Nordatlantischen Glattwal hingewiesen.

Vor der Nordostküste von Amerika überschneiden sich der Lebensraum der Wale und die Fanggründe der Hummerfischerei. Für sie werden Reusen am Meeresboden ausgebracht, die durch Rückholleinen mit Bojen an der Wasseroberfläche verbunden sind. Millionen solcher Leinen stehen in diesem Gebiet in der Wassersäule. Schwimmen Wale durch diese Gewässer, verheddern sie sich oft in diesen Leinen und schleppen die dazugehörigen Hummerfallen hinter sich her. Das führt zu ernsthaften Verletzungen und meistens schließlich zu einem grausamen Tod. 

Um das tödliche Verfangen von Fischereileinen zu verhindern, haben der IFAW und Fischereiexperten leinenlose Systeme entwickelt. Diese moderne Leinen sinken auf den Meeresboden und treiben nicht in der Wassersäule.

„Wissenschaftler, die die Verletzungen von Nordatlantischen Glattwalen untersucht haben, schätzen, dass 85 Prozent der Tiere sich mindestens einmal im Leben verheddert haben, 60 Prozent sogar mehrfach,“ so Dinkelmeyer weiter. „Wir können auch in Europa diesen Tieren helfen, indem wir nur Hummer kaufen, die mit ‚leinenlosem‘ Material gefangen wurden. Das ist möglich. Der IFAW unterstützt die Weiterentwicklung solcher Systeme, die ohne die gefährlichen vertikalen Leinen auskommen. Die EU sollte dies auch zu einer Vorgabe bei dem Mini-Handelsabkommen machen und nicht ihrer eigenen Biodiversitäts-Strategie widersprechen.“

Der Nordatlantische Glattwal (Eubalaena glacialis), auch Atlantischer Nordkaper genannt, gilt laut Weltnaturschutzunion IUCN als vom Aussterben bedroht. Sie sind langsame Schwimmer, ein Grund, warum die amerikanischen Walfänger im 19. Jahrhundert sie als „right whale“, den „richtigen Wal“, bezeichneten. Er war leicht zu fangen und trieb getötet an der Wasseroberfläche. Seit seiner massenhaften Bejagung hat sich diese Walart kaum erholt, obwohl sie schon 1935 unter Schutz gestellt wurde. 

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