Die Altersarmut in Deutschland wird zunehmen. Das Ausscheiden der „Babyboomer“ aus dem Erwerbsleben – nicht selten mit gebrochenen Arbeitsbiografien – sowie die Absenkung des Rentenniveaus bis zum Jahr 2030 werden erheblich dazu beitragen. Laut OECD gelten Menschen als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens verfügen.
Alte Menschen sind gleich mehrfach von Benachteiligungen betroffen, und Armut kann dies noch verstärken: Es ist schwieriger, altersgerechte und bezahlbare Wohnungen in einem passenden Wohnumfeld zu finden. Oft ist die Mobilität durch hohe Fahrtkosten eingeschränkt. Darüber hinaus benötigen alte Menschen häufig besondere Unterstützung, die zusätzliche Kosten verursacht – Mobilitätsunterstützung, Dienstleistungen, besonderer Sanitätsbedarf. Dazu reichen die meist geringen Einkommen nicht aus. Auch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist ohne ausreichenden finanziellen Spielraum eingeschränkt. Zudem ist Altersarmut oft ein Tabuthema. Scham und Schuldgefühle verhindern, dass alte Menschen auf ihre Not hinweisen und Hilfe von Ämtern und Wohlfahrtsverbänden annehmen. Diese Einschränkungen können zusätzlich dazu führen, dass alte Menschen vereinsamen.
Um diese Entwicklungen genauer zu analysieren, hat das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) in den drei Fallstudienstädten Bielefeld, Hamm und Kiel untersucht, wie Kommunen auf diese zunehmenden Notlagen reagieren (können). Es zeigt sich, dass es bislang nicht üblich ist, die wachsende Altersarmut zu einem gesonderten Handlungsfeld zu machen. Städte sind daher bislang wenig darauf vorbereitet, solche Armutssituationen durch ausgleichende Maßnahmen zu entschärfen.
Zudem verfügen die Kommunen nicht über gesicherte Daten über alte Menschen, die von Armut betroffen sind. Das Merkmal „Grundsicherung im Alter“ ist nicht aussagekräftig, da sich die erhebliche versteckte Altersarmut nicht darin widerspiegelt. Denn viele Bezugsberechtigte stellen aus Scham oder Unwissenheit keinen Antrag auf Grundsicherung im Alter.
Die Analyse in den drei Beispielstädten zeigt zentrale Handlungsbereiche, in denen eine Unterstützung durch Kommunen besonders geboten ist: Wohnen und Wohnumfeld, Mobilität, soziale Infrastruktur (inklusive Gesundheitsförderung und Pflege) sowie gesellschaftliche Teilhabe. Hier besteht ein breites Spektrum an Möglichkeiten, wie Kommunalverwaltungen und andere Akteure handeln können, um der Not zu begegnen.
In den untersuchten Städten unterstützt die Politik bereits Strategien und Konzepte für den Umgang mit der älter werdenden Stadtbevölkerung, die integrativ, partizipativ und an den Sozialraum angepasst sein sollten. Wichtig ist dabei die Vernetzung der verschiedenen Bereiche. Die Verwaltungen müssen ressortübergreifend arbeiten, aber auch zwischen Verwaltung und Quartier muss kooperiert werden. Zum Teil sind die Strukturen bereits seit Jahren etabliert, teilweise sollen sie noch ausgebaut werden.
Die Fallstudienstädte gehen davon aus, dass Altersarmut für Kommunen künftig an Bedeutung und Brisanz zunehmen wird. Dies zeigen bereits die gegenwärtigen Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt und die Zahl der Menschen, die schon heute einkommensarm sind. Brüche in Erwerbsbiografien werden die Altersarmut weiter verschärfen.
Wichtig ist es, Altersarmut in Kommunen offen und unterstützt durch die Stadtspitze zu thematisieren. Nur so wird sie ernst genommen und ihr „Tabu-Image“ verlieren. Es gilt zudem, das Thema in kommunalen Konzepten zu verankern und daraus Konsequenzen für das Verwaltungshandeln in den Kommunen abzuleiten.
In der Verwaltung sind für den Umgang mit Altersarmut alle Bereiche zuständig. Sie alle können einen Beitrag leisten, um die Auswirkungen zu lindern: Wohnen, Stadtentwicklung/Stadtplanung, Grünflächen, Tiefbau, Soziales und Wirtschaftsförderung. Diese Zusammenarbeit in der Verwaltung ist wichtig, um den Umgang mit Altersarmut zu erleichtern. Ebenso wichtig ist die Zusammenarbeit mit freien Trägern der Wohlfahrtspflege und kommunalen Interessenvertretungen wie Senior*innenbeiräten.
Schlüssige Konzepte müssen die Handlungsgrundlage sein. Die meisten Kommunen verfügen bereits über Integrierte Stadt(teil)entwicklungskonzepte, Konzepte zum Wohnen, zur Integration oder zur demografischen Entwicklung. Es gilt daher, dieses zentrale Thema in den Konzepten und Handlungsfeldern explizit zu integrieren. Es geht also um eine neue Zielgruppe, die adressiert werden muss. Die Angebote sollten allerdings alle interessierten Personen und nicht nur arme Menschen ansprechen.
In Kommunen ist oft eine Lücke zwischen Handlungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten festzustellen. Aus Sicht der Kommunen wird das Thema Armut bisher nicht präventiv genug angegangen. Da die Dringlichkeit voraussichtlich mit jedem weiteren Jahr zunehmen wird, sind vorbeugende Maßnahmen nun geboten. Präventives Handeln gegen Altersarmut muss daher bereits Kinder im Blick haben. Bildungsförderung spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Link zur Veröffentlichung:
www.difu.de/16079
Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) ist als größtes Stadtforschungsinstitut im deutschsprachigen Raum die Forschungs-, Fortbildungs- und Informationseinrichtung für Städte, Kommunalverbände und Planungsgemeinschaften. Ob Stadt- und Regionalentwicklung, kommunale Wirtschaft, Städtebau, soziale Themen, Umwelt, Verkehr, Kultur, Recht, Verwaltungsthemen oder Kommunalfinanzen: Das 1973 gegründete unabhängige Berliner Institut – mit einem weiteren Standort in Köln – bearbeitet ein umfangreiches Themenspektrum und beschäftigt sich auf wissenschaftlicher Ebene praxisnah mit allen Aufgaben, die Kommunen heute und in Zukunft zu bewältigen haben. Der Verein für Kommunalwissenschaften e.V. ist alleiniger Gesellschafter des in der Form einer gemeinnützigen GmbH geführten Forschungsinstituts.
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