Die gesundheitspolitische Entwicklung ist insbesondere mit dem E-Rezept und den inzwischen weitestgehend nicht regulierten, von vorwiegend ausländischen Konzernen auf den Weg gebrachten Telemedizin- und Rezeptmakel-Plattformen vollständig über den VOASG-Entwurf hinweggerollt. Dieser wirkt wie altbackenes Flickwerk im Angesicht von Plattformen, auf denen sich der „Arzneimittel-Konsument“ ein rezeptpflichtiges Arzneimittel einfach zur Lieferung per Versand aussuchen kann, um sich dann anschließend lediglich mit dem Ausfüllen eines Fragebogens das benötigte Rezept beim Plattform-Arzt zu bestellen. Der ursprüngliche Anlass für das VOASG, dass Versandapotheken aus dem EU-Ausland diesem Patienten dann auch noch Boni bis auch schon mal 30 Euro pro Rezept auszahlen können, kommt inzwischen nur noch als weitere Schrecklichkeit hinzu.
Ganz andere, dringendere Regelungsbedarfe sind also inzwischen entstanden, um sowohl die bewährte „normale“ Apothekenlandschaft, als auch das damit eng verbundene, ebenso bewährte „normale“ System mit niedergelassenen Hausärzten gegen eine unumkehrbare Zerstörung zu schützen und zu bewahren! Für „normale“ Patienten, eben, die es in großer Mehrheit ja sicher weiter geben wird.
Klar ist in jedem Fall eins: In diesem bizarren Big-Business-Spiel wird ein Großteil der Apotheken untergehen, in erster Linie die kleinen bis mittleren Vor-Ort-Apotheken. Allerdings auch viele traditionelle Arztpraxen, wenn dieses Spiel nicht bewusst zu ihrem Erhalt beendet oder wenigstens sehr viel klüger und wirkungsvoller reguliert wird, als es das etikettenschwindlerische VOASG überhaupt versucht.
So sichert der vorliegende Entwurf anscheinend bewusst nicht mehr die Festpreise für alle rezeptpflichtigen Arzneimittel, sondern startet einen europarechtlich riskanten Versuch, dieses begrenzt auf den Bereich der Gesetzlichen Krankenkassen zu tun und nicht bezogen auf die privaten Krankenversicherungen. Das verschreibungspflichtige Arzneimittel wird somit von den Mitgliedern des deutschen Bundestages zur Handelsware degradiert.
Nach dem aktuellen, langwierig ersessenen und halbherzigen Durchwinken des VOASG-Entwurfs durch die EU-Kommission dürfte jedem klar sein, dass dieses Gesetzes-Flickwerk sowieso keinen Bestand haben wird und vor dem Europäischen Gerichtshof landet. Das Gesetz wäre somit der schleichende, aber endgültige Einstieg in die Freigabe der Preise von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und damit das Aus für die meisten inländischen Vor-Ort-Apotheken, und das zugunsten einiger weniger sehr Großer, aber vor allen Dingen zugunsten des Arzneiversands aus dem Ausland. Mit dem EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat so Bundesgesundheitsminister Spahn einen Verbündeten gefunden.
Das aktuell im Gesetzgebungsverfahren befindliche VOASG würde somit in der vorliegenden Form einen kaum fassbaren Schaden anrichten. Zum einen, was das Geld betrifft, wird sich das über die Jahre in hundertfacher Milliardenhöhe auswirken: Durch den Verlust zahlreicher Steuereinnahmen in vielen Bereichen und durch den Verlust von zehntausenden von Arbeitsplätzen, von den Vermögens- und Altersvorsorgeverlusten mal ganz zu schweigen.
Die Solidargemeinschaft der Gesetzlichen Krankenversicherung wird es in der Folge mit Handelskonzernen zu tun bekommen, die nach Abschaffung der bewährten Strukturen den Markt unter sich aufteilen und die Preise diktieren. Zusätzlich werden zur Abschöpfung der Versichertengelder noch ganz andere „große Player“ an den Arzneimittel-“Handelsplätzen“ auftauchen, und zwar Unternehmenskonzerne, die direkt und unverblümt auf das Makeln von Rezepten und sonstigen „Healthcare“-Dienstleistungen ausgerichtet sind.
Gesundheitspolitisch und kulturell entsteht also ein enormer Schaden, weil das vorliegende VOASG die politische Elendshaltung des gnadenlosen Schrumpfens der starken Pfeiler unseres bewährten Gesundheitssystems verkörpert. Die seit Jahrzehnten bestens funktionierenden, kleinteiligen, freiberuflichen Hausarztpraxen und Apotheken werden schleichend ausgetauscht gegen Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und sonstige Ärztezentren mit Groß-Apotheken, möglichst noch im Eigentum der Gesetzlichen Krankenversicherung oder von Krankenhäusern, sowie Telemedizin und Arzneimittelversand als Regelversorgung für alle, die weit entfernt von solchen Zentren wohnen.
Die Freie Apothekerschaft stellt sich entschieden gegen diese Entwicklung. Es ist inakzeptabel, dass die von der Politik fälschlich als relevante Interessenvertretung der selbständigen Apothekerschaft angesehene „ABDA“ dieses VOASG mitträgt – insbesondere angesichts der Tatsache, dass sogar der Bundesrat und sehr viele andere sachkundige Politiker/innen das VOASG in der vorliegenden Form vehement ablehnen.
In der "Freien Apothekerschaft", gegründet 2010, haben sich Apothekerinnen und Apotheker zusammengeschlossen, um die Interessen des Berufsstandes zu vertreten und ihre Situation, politisch wie wirtschaftlich, zu verbessern.
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