Trotz der derzeitigen Stagnation zeigen sich über die letzten zehn Jahre betrachtet große Veränderungen in der Zusammensetzung der Dax-Aufsichtsräte: 2010 lag der Frauenanteil bei nur 7%, er ist also seitdem auf mehr als das Viereinhalbfache gestiegen. Den größten Zuwachs (+5 Prozentpunkte) gab es 2016 – im ersten Jahr nachdem das Führungspositionengleichberechtigungsgesetz in Kraft getreten war.
Während die gesetzlich forcierte Frauenquote erreicht ist, hat sich an den Machtverhältnissen in den Dax-Aufsichtsräten wenig geändert. Mit Dr. Simone Bagel-Trah bei Henkel ist nur ein Aufsichtsratsvorsitz von 30 von einer Frau besetzt (im Vorjahr waren es zwei). Nur 12% (Vorjahr 13%) der Ausschussvorsitzenden sind weiblich (17 von 142). Insgesamt ziehen dieses Jahr neun Frauen neu in die Aufsichtsräte ein. Erstmals in den letzten fünf Jahren haben weniger als die Hälfte der neu gewählten weiblichen Aufsichtsräte Erfahrung auf Top-Management-Ebene vergleichbarer Konzerne: Sie sind mehrheitlich Beraterinnen, Expertinnen und Politikerinnen.
„Die Frauenquote in den Dax-Aufsichtsräten ist erfüllt und Deutschland hat international aufgeschlossen. Über zehn Jahre betrachtet sehen wir einen deutlichen Fortschritt. Der nächste Entwicklungsschritt muss jetzt lauten: ‘Frauen an mehr Macht’, damit die Vorteile von mehr Diversität in den Aufsichtsgremien auch beim Vorsitz von Aufsichtsräten und Ausschüssen ankommen“, so Jens-Thomas Pietralla, Leiter der Europäischen CEO & Board Praxisgruppe bei Russell Reynolds Associates.
Anders als in den Aufsichtsräten, besteht in den Vorständen der Dax-Unternehmen bei der Frauenquote weiterhin großer Aufholbedarf. Der Frauenanteil ist hier dieses Jahr wieder unter den Wert von 2017 gesunken, auf jetzt 13,3% (nach 14,2% im Vorjahr; die designierte Vorstandschefin von Merck, Belén Garijo, die 2021 ihr CEO-Amt antritt, ist bereits berücksichtigt).
Weiterhin stellt die Studie fest, dass sich die Entwicklung zu mehr Digitalisierungsexpertise in den Dax-Aufsichtsräten dieses Jahr nicht fortsetzt. Nach einem signifikanten Anstieg in den letzten zwei Jahren stagniert die Anzahl der Digitalisierungsexperten. Ein Grund dafür: Erstmals haben drei Viertel der Dax-Unternehmen digitale Expertise im Aufsichtsrat. Von den Digitalisierungsexperten sind 36% weiblich.
Die Aufsichtsratsvergütungen sind zuletzt gesunken auf jetzt durchschnittlich 185.000 Euro pro Jahr, ein Rückgang von 3,25% gegenüber dem Vorjahr. Die höchsten Vergütungen für Aufsichtsratsvorsitzende gibt es bei Volkswagen und der Deutschen Bank.
Die Verflechtung hat weiter abgenommen: Nur noch neun Vorstände haben auch Aufsichtsratsmandate, ein neuer Tiefststand. Auf weibliche Vorstände entfallen 33% dieser neun Mandate (3), obwohl der Frauenanteil auf der Vorstandsebene nur gut 13% beträgt.
Die Studie zeigt somit, dass die großen Themen der letzten Jahre – Frauenquote, Diversität, Doppelmandate – zunehmend in den Hintergrund rücken. Digitale Neuausrichtung, Governance, gesellschaftliche Verantwortung und eine entsprechende ‘purpose-orientierte’ Führung sind die neuen großen Themen. Momentan haben nur 4% der Aufsichtsräte ausgeprägten Bezug zu Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility (CSR), und nur 2% ausgewiesene Expertise in der Überwachung von ‘guter Unternehmensführung’ (Corporate Governance).
„Entflechtung, Diversität und die Suche nach Digitalisierungsexperten werden dieses Jahr als Top-Themen bei der Besetzung von Dax-Aufsichtsräten abgelöst. Es ist eine Zeitenwende. Corona, Klimawandel und der Wirecard-Skandal verschieben die Schwerpunkte. Mut zu neuen Weichenstellungen, Integrität und Unabhängigkeit als Voraussetzung für effektive Kontrolle sind jetzt die gefragtesten Eigenschaften und Kompetenzen“, sagt Dr. Thomas Tomkos, Leiter der deutschen CEO & Board Praxisgruppe bei Russell Reynolds Associates.
Die Studie bewertet jedes Jahr die Zusammensetzung der 30 Dax-Aufsichtsräte nach den Kriterien Geschlechteranteil, Nationalitäten, Auslandserfahrung, Altersverteilung, Verweildauer, Erfahrungsbreite und Mandatslast, und vergibt dafür eine Gesamtnote. 2020 ist erstmals „Unabhängigkeit“ als Bewertungskriterium hinzugekommen. Dadurch verschlechtert sich die durchschnittliche Bewertung auf 2,1 nach 2,0 im Vorjahr. Das Ranking führen dieses Jahr Munich Re und Infineon an.
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