- Corona-bedingt schwächstes Quartalsergebnis im Jahresverlauf mit Transaktionsvolumen von knapp 2,0 Milliarden Euro
- Ausbleiben von Großtransaktionen und geringe Geschäftsneuanbahnungen im zweiten Quartal
- Ungebrochen hohe Nachfrage und stabile Renditeentwicklungen bei Einzelhandelsobjekten mit Lebensmittelschwerpunkt, schwieriges Marktumfeld sowie sinkende Spitzenmieten für Highstreet-Objekte
- Umnutzungen von reinen Handels- zu Mixed-Use-Objekten bieten Wertsteigerungspotenzial
Nach Angaben von Colliers International wechselten in den ersten neun Monaten dieses Jahres Einzelhandelsimmobilien für 8,5 Milliarden Euro den Besitzer. Das Transaktionsvolumen lag damit 13 Prozent über dem – im langjährigen Trend allerdings eher schwachen – Vorjahreswert. Diese aggregierte Betrachtung verdeckt außerdem die für das dritte Quartal erwartete, pandemiebedingte Verlangsamung der Marktdynamik. Das Transaktionsvolumen von knapp 2,0 Milliarden Euro stellt nach einem dynamischen ersten Halbjahr das bislang schwächste Quartalsergebnis im Jahresverlauf dar.
Dirk Hoenig-Ohnsorg, Head of Retail Investment bei Colliers International: „Entgegen dem Trend am gesamten Investmentmarkt waren die Corona-bedingten Bremsspuren bei Einzelhandelsinvestments im dritten Quartal deutlich zu spüren. Während über alle gewerblichen Assetklassen hinweg das Umsatzergebnis der Monate Juli bis September mit einem Plus von 15 Prozent überraschend deutlich über dem des zweiten Quartals lag, fiel es im Einzelhandelssegment mit einem Minus von 26 Prozent binnen drei Monaten deutlich zurück. Lediglich die ‚Schubkraft‘ von zahlreichen großvolumigen Portfolioverkäufen und -beteiligungen in der Größenordnung zwischen jeweils einer halben und einer Milliarde Euro aus dem ersten Halbjahr verhinderte ein stärkeres Absinken des Marktanteils, der Ende September bei 21 Prozent lag und damit die Position von Einzelhandelsobjekten als zweitbeliebtester Assetklasse – nach Büroimmobilien mit 41 Prozent Marktanteil – festigte.“ Bei den erwähnten Großdeals handelte es sich um den Verkauf von 80 Real-Immobilien, die TLG-Übernahme samt des Einzelhandelsportfolios durch Aroundtown sowie Weiterveräußerungen von Kaufhof-Warenhäusern.
Dagegen waren zwischen Juli und September – anders als am Gesamtinvestmentmarkt – Transaktionen im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich rar gesät. Die größte Einzeltransaktion wurde mit dem Verkauf des Karstadt-Warenhauses an der Hamburger Mönkebergstraße für rund eine Viertelmilliarde Euro von Quantum an Signa verzeichnet. Die österreichische Immobilien AG demonstrierte hiermit erneut ihr strategisches Interesse an zu entwickelnden innerstädtischen Topstandorten. Darüber hinaus wurden zwei weitere Verkäufe deutscher Handelsobjekte für über 100 Millionen Euro bekannt. Zusammen mit einem europäischen Factory-Outlet-Paket veräußerte Hammerson seinen Anteil an dem deutschen Designer Outlet Center Zweibrücken an die niederländische Pensionskasse APG. Zudem verkaufte die TLG erneut ein weiteres Supermarktportfolio, diesmal an diverse Edeka-Töchter.
Matthias Leube, CEO bei Colliers International Deutschland: „Neben dem Ausbleiben von Großdeals waren Neugeschäftsanbahnungen nach Beendigung des Lockdowns sehr viel schwerer wieder in Gang gekommen als am gesamten Investmentmarkt zu beobachten. Hier spielt die erhöhte Risikoaversion der Anleger eine wesentliche Rolle, die den vor Ausbruch der Corona-Krise bereits vom Strukturwandel betroffenen Einzelhandel zusätzlich belastet hat.“
Diese Entwicklung spiegelt auch der Immobilienklima-Index wider, der im Gegensatz zu allen anderen Assetklassen für das Einzelhandelssegment schon seit 2017 ein negatives Marktsentiment dokumentiert. Einen positiven Ausblick vermittelt allerdings der sich jüngst verbessernde Indexwert. Auch andere Frühindikatoren wie der GfK-Konsumklimaindex, die sich nach dem tiefen Einbruch wieder stabilisieren, deuten auf ein sich allmählich verbesserndes Marktumfeld hin, zu dem auch das Konjunkturpaket der Bundesregierung beiträgt. Die deutlich nach oben korrigierten Herbstprognosen zahlreicher Wirtschaftsforschungsinstitute sowie der Bundesregierung, die auf der Annahme basieren, dass es zu keinem zweiten Lockdown kommen wird, stützen die positive Stimmung. Das Wachstum beim Einzelhandelsumsatz hat sich auch dank Nachholeffekten seit Juni wieder auf dem Vorkrisenniveau von Februar eingependelt.
Davon profitieren aber nicht alle Einzelhandelsbranchen gleichermaßen. Während der Handel mit Gütern des täglichen Bedarfs wie Lebensmitteln und Drogerieartikeln oder der Heimwerkerbedarf stark profitiert haben, hat sich die Situation insbesondere für den stationären Handel mit Bekleidung, Schuhen und Textilien verschärft. Einzelhandelsformate wie Shopping-Center und innerstädtische Kauf-, Waren- und Geschäftshäuser, die größtenteils über diese Branchenschwerpunkte verfügen, werden noch stärker als vorher von Investoren gemieden.
Dies belegt auch erneut die Auswertung der Transaktionen des laufenden Jahres nach Betriebstypen. Dabei sind es nach wie vor die lebensmittelgeankerten Fachmärkte, Fachmarktzentren und -portfolien, die mit 48 Prozent bzw. 4,1 Milliarden Euro ganz oben auf der Einkaufsliste standen. Gegenüber dem Halbjahresstand gab es nur leichte Verschiebungen zugunsten von Geschäftshäusern in innerstädtischen 1a-Lagen von 33 auf 35 Prozent (3,0 Milliarden Euro) sowie von Einkaufszentren von 14 auf 17 Prozent (1,4 Milliarden Euro).
Diese Nachfrageverteilung spiegelt sich auch in der Entwicklung der Spitzenrenditen wider. Während frequentierte Fachmärkte weiterhin bei 5 Prozent und darunter gehandelt werden, ist der Renditeanstieg im Highstreet und Shoppingcenter-Segment naheliegend, wenngleich aufgrund geringer Fallzahlen derzeit noch schwer nachzuprüfen. Spitzenrenditen lagen bislang in den 1a-Lagen der sieben Investmentzentren in einem engen Korridor zwischen 2,75 Prozent in München und 3,40 Prozent in Köln und Düsseldorf.
Günstige Opportunitäten für Repositionierung innerstädtischer Immobilien als Mixed-Use-Objekte
Hoenig ergänzt: „Es gibt aber zunehmend Investoren, die die Chance zur Repositionierungen innerstädtischer ehemaliger Hochfrequenzimmobilien als Mixed-Use-Objekte erkennen. Dafür stehen neben dem Erwerb des Karstadt in der Hamburger Toplage Mönckebergstraße auch Häuser in attraktiven Stadtteillagen wie das Schloss-Straßen-Center und das Globetrotterhaus im vitalen Stadtteilzentrum von Berlin-Steglitz. Gleichzeitig ermöglichen sinkende Spitzenmieten insbesondere in Ober- und Untergeschossen die Rückkehr von Formaten, die sich lange Zeit nicht in Innenstädten halten konnten. Das sind nach Lebensmittlern auch kleinformatige, auf Laufkundschaft ausgerichtete Bau- und Möbelmärkte. Auch die für Nahversorger wichtigen Frequenzbringer wie Büronutzer oder Wohnnutzungen füllen die Lücken des Einzelhandels, der sich in Teilen aus den Flächen zurückzieht.“
Gerade in der aktuellen Situation zeigt sich der Wert einer hohen Aufenthaltsqualität, eines attraktiven Nutzungsmix und einer hohen lokalen Besucherfrequenz, die unabhängig von der Stadtgröße ist. Die Erholung von Passantenfrequenzen nach Beendigung des Lockdowns belegen, dass sich vitale Innenstädte wie die von Bonn, Dresden und Celle oder in Stadtteillagen der Metropolen deutlich schneller erholt haben als die Highstreets, die von internationalem Tourismus leben.
Portfoliokäufe mit lebensmittelgeankerten Einzelhandelsimmobilien weiter marktprägend
In Summe wurden in den letzten neun Monaten 6,1 Milliarden Euro in Einzelhandelsportfolien investiert, was einem Marktanteil von rund 71 Prozent entspricht. Insbesondere die räumliche Streuung der Anlageobjekte aus den Portfolien ist dafür verantwortlich, dass mit 79 Prozent der Großteil der Investitionen außerhalb der sieben großen Investmentzentren des Landes getätigt wurde – damit weist keine andere Assetklasse eine so dezentrale Verteilung auf wie die von Einzelhandelsobjekten. Die Möglichkeit, mit Einzelhandelsportfolien größere Anlagesummen auf einmal zu platzieren, haben vor allem Ausländer gerne genutzt, die am Gesamtmarkt nur mit 42 Prozent vertreten waren. Bei Einzelhandelspakten lag der Anteil internationalen Kapitals im Berichtszeitraum bei rund 60 Prozent, bei Einzel- und Portfoliodeals zusammen bei insgesamt bei 52 Prozent.
Unter den marktprägenden Investorenbranchen hat sich wegen der aufgeführten Großdeals gegenüber dem Vorquartal kaum etwas am Ranking verändert. Die ersten drei Plätze belegen auf der Käuferseite dicht hintereinander Immobilien AGs mit 1,9 Milliarden Euro (22 Prozent Marktanteil) vor offenen Immobilien- und Spezialfonds sowie Opportunity und Private Equity Fonds (jeweils 1,7 Milliarden Euro bzw. 20 Prozent). Bei den Verkäufern dominieren Immobilien AGs (allen voran TLG) mit 42 Prozent bzw. 3,6 Milliarden Euro unangefochten das Geschehen vor Asset- und Fondsmanagern (18 Prozent) sowie offenen Immobilien- und Spezialfonds (16 Prozent).
Ausblick: Trotz voraussichtlich ruhigem vierten Quartal erneut Transaktionsvolumen über 10 Milliarden Euro
Hoenig-Ohnsorg: „Auch wenn wir einige positive Signale für einzelne Marktsegmente ausmachen können, wird sich der Markt für Einzelhandelsimmobilien nicht so dynamisch erholen wie der gesamtdeutsche Immobilieninvestmentmarkt. Dennoch wird das Jahr 2020 mit einem Transaktionsvolumen von über 10 Milliarden Euro und damit auf oder sogar leicht über dem Vorjahresergebnis enden. Das prognostizierte Volumen von 1,5 Milliarden Euro liegt am unteren Ende der üblichen Quartalsergebnisse. Einige größere Abschlüsse werden noch im letzten Quartal erwartet, auch wenn es sehr schwierig vorherzusagen ist, wie lange die Prozesse dauern.“
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