- So verhalten sich Betroffene richtig
- Knöllchen aus dem Ausland kann im Inland vollstreckt werden
- Behördenschreiben sollte man nicht ignorieren
Viele Urlauber mussten unter Corona-Bedingungen ihre Reiseziele neu und anders wählen. Buchungen innerhalb Deutschlands hatten dabei ein historisches Hoch. Urlaub im Ausland war aber unter Einschränkungen möglich. Generell war das genutzte Transportmittel überdurchschnittlich häufig der eigene Wagen oder ein Wohnmobil.
Die Sommersaison geht nun langsam zu Ende. Und einige Rückkehrer haben Post aus dem Ausland wegen eines Verkehrsverstoßes im Briefkasten, die die Urlaubsfreude nachträglich massiv trüben kann. Der Automobilclub von Deutschland (AvD) weist darauf hin, dass in unseren Nachbarländern schon geringfügige Übertretungen bisweilen empfindliche Strafen und Geldbußen nach sich ziehen können. Hier einige Tipps, wie Betroffene mit solchen „Souvenirs“ umgehen sollten.
Ausland schützt vor Strafe nicht
Auch ausländische Bußgelder können von deutschen Behörden vollstreckt werden. Ein Abkommen unter den EU-Mitgliedstaaten bildet die entsprechende Rechtgrundlage. Niemand sollte sich also darauf verlassen, dass das am Urlaubsort nicht bezahlte ausländische Verkehrs-Bußgeld in Deutschland folgenlos bleibt.
Vollstreckung ab 70 Euro durch das Bundesamt für Justiz
Ab einer Höhe von 70 Euro einschließlich eventueller Verfahrenskosten können rechtskräftige Bescheide aus den EU-Staaten in Deutschland beigetrieben werden. Dafür ist das Bundesamt für Justiz in Bonn zuständig. Es prüft in den eingehenden Anfragen der ausländischen Behörden, ob die Zusendung wesentlicher Verfahrensdokumente an den Betroffenen in der Landessprache erfolgte, oder ob der Beschuldigte die Möglichkeit hatte, sich in einem Verfahren gegen den erhobenen Vorwurf zu wehren. Nach Beobachtung des AvD versenden immer mehr Behörden aus EU-Mitgliedsländern, wie etwa Frankreich, Holland oder Italien, ihre Bescheide an Beschuldigte in Deutschland per se in deutscher Sprache. In vielen Fällen wird zudem die Möglichkeit eingeräumt, die Unterlagen auf Homepages der ausländischen Behörden per Codenummern online einzusehen.
Betroffene sollten Einwände im Verfahren vorbringen
Der AvD empfiehlt, möglichst zeitnah auf die aus dem Ausland erhobenen Vorwürfe zu reagieren. So wahrt man auch die eigenen rechtlichen Möglichkeiten gegenüber dem Bundesamt für Justiz. Betroffene sollten zunächst überprüfen, ob das Kraftfahrzeug zum Zeitpunkt des Vorwurfes selbst gefahren wurde. Ein wichtiger Einwand ist auch ausreichend rechtliches Gehör des Kraftfahrers im ausländischen Verfahren. Zentraler Empfänger aller entlastenden Einwände ist für Einwohner der Bundesrepublik Deutschland das Bundesamt für Justiz.
AvD Tipp: AvD Mitglieder haben die Möglichkeit, eine kostenlose juristische Beratung bei den AvD-Vertrauensanwälten zu erhalten. Betroffene sollten zudem aus dem Ausland übersandte Schriftstücke unbedingt aufbewahren.
Ausländische Inkassobüros sind keine staatlichen Behörden
Der AvD macht darauf aufmerksam, dass in verschiedenen europäischen Staaten versucht wird, Mautgebühren oder Gelder aus der privat organisierten Parküberwachung auch in Deutschland durch private Inkassobüros beizutreiben. Firmen wie European Parking Collection oder NIVI werden zu diesem Zwecke tätig, ohne jedoch eine staatliche Legitimation zu haben. Bei Ihnen handelt es sich ausdrücklich nicht um eine Behörde, die nach den Regeln der EU- Bußgeldvollstreckung vorgehen kann, sondern um privatwirtschaftliche Unternehmen. Der AvD rät daher, Zahlungsaufforderungen privater Unternehmen wegen vermeintlicher Verkehrssünden zunächst nicht zu zahlen, sondern anwaltlich überprüfen zu lassen. AvD Mitglieder können sich auch dabei der Hilfe der AvD-Vertrauensanwälte bedienen.
Haft in Deutschland nach „Rasen“ in der Schweiz
Eine unmittelbare Vollstreckung von im Ausland verhängten Fahrverboten oder Fahrerlaubnisentziehungen ist in Deutschland nicht möglich. Das oben angesprochene Abkommen, bezieht sich allein auf Bußen und Strafen. Im deutschen Fahreignungsregister („Verkehrssünderdatei“) in Flensburg werden keine im Ausland geahndeten Übertretungen registriert.
Ein Freibrief für rüpelhaftes Fahren im Ausland ist damit aber nicht verbunden: So erklärte das Oberlandesgericht Stuttgart eine in der Schweiz verhängte Haftstrafe gegen einen deutschen Autofahrer wegen eines erheblichen Geschwindigkeitsverstoßes auch am Wohnsitz in Deutschland für vollstreckbar. Die schweizerische Justiz beantragte im Wege der Vollstreckungshilfe den Vollzug der Freiheitsstrafe in Deutschland. Hintergrund: In der Schweiz werden erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen als Straftat geahndet, mit der Möglichkeit der Verhängung einer Haftstrafe.
Dem Gericht in Stuttgart genügte als Grundlage für seine Entscheidung bereits die Tatsache, dass Geschwindigkeitsüberschreitungen in beiden Ländern sanktioniert werden können. Dass die Strafen für Geschwindigkeitsvergehen sich in der Rechtsordnung des Nachbarlandes deutlich von dem hierzulande angewendeten Strafrahmen unterscheidet, mache die Verhängung der Haftstrafe – und die anschließende Vollstreckung in Deutschland – nach Ansicht der Richter nicht unverhältnismäßig für den Betroffenen. (OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.04.2018, Az. 1 Ws 23/18).
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