10 Jahre Zafraan Ensemble! – UA Berlin I. – X. – Auftakt der Konzertreihe mit Berliner Uraufführungen aus 10 Dekaden

Das Zafraan Ensemble, eine der jüngeren Formationen der Berliner Neue Musik-Szene, steht für Musik, die das heutige Leben, die heutige Gesellschaft, die heutige Realität in all ihren Facetten reflektiert.

Nach der Eröffnung des diesjährigen Berliner Monats der zeitgenössischen Musik richtet das Zafraan Ensemble nun den Fokus auf seinen zehnteiligen Konzertzyklus „UA Berlin“.

Anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Gruppe, also dem Zehntel eines Jahrhunderts, entwickelte das Zafraan Ensemble dieses ambitionierte Vorhaben, das vom September 2020 im bis zum Juni 2021 weit ausgreifend die Geschichte Berlins von den 1910er Jahren bis heute als eine musikalische erzählt. Moderiert werden die ersten vier Konzerte der Reihe von Mark Scheibe.

Zeitgenössische Musikgeschichte wird zu Geschichte gemacht, über zwei Weltkriege und fünf Staatsformen hinweg. Jedes der zehn Kammerkonzerte von „UA Berlin“ steht für eine Dekade, bei dem ein in diesem Jahrzehnt in Berlin uraufgeführtes Werk als Kern den programmatischen Auslöser bildet. So wie diese zehn in Berlin uraufgeführten Werke von vergangenen musikalischen Kapiteln Berliner Geschichte erzählen, sollen zehn neue Werke, die speziell zu diesem Anlass vom Zafraan Ensemble in Auftrag gegeben werden, die Perspektive junger Berliner Komponierender auf die Stadt aufzeigen. Wie klingt Berlin heute im Verhältnis zu seiner musikalischen Geschichte?

Am 27. September beginnt „UA Berlin“ im radialsystem mit: „Die 1910er: Hälse mit Kreuzen“. Auftakt des Abends ist „Pierrot Lunaire“ von Arnold Schönberg, uraufgeführt 1912 in Berlin, ein Schwergewicht und, ginge es nicht um Musik des 20. Jahrhunderts, ein veritabler Hit. Webern befand einen großen Erfolg, Strawinsky empfahl, Puccini lobte. Aber auch Hanns Eisler war so angetan, dass er den Pierrot als Blaupause für seine Vertonung von Morgensterns Palmström hernahm, in diesem Konzert direkt nach Schönberg zu erleben. Dazu Enno Poppes „Gelöschte Lieder“ (1996-99) und die schon erwähnte Uraufführung eines Werkes junger Berliner Komponierender, hier von dem 1991 geborenen Florian Wessel, der Schönberg auf ganz eigene Weise kommentiert.

Eva Resch (Sopran) ist die Solistin, Miguel Pérez Iñesta dirigiert das Zafraan Ensemble.

Am 30. Oktober, im Meistersaal mit gleich zwei Konzerten hintereinander, folgt „Die 1920er: Exil“. Der Abend beleuchtet die verschlungenen Pfade der Emigration und der exilierten Zwölftontechnik über die Kontinente. Ausgangspunkt ist Stefan Wolpes „Piano Sonate N°1 ‘Stehende Musik’“, 1927 im Berliner Voxsaal uraufgeführt. Als Jude und Kommunist wurde für Wolpe ab 1933 alles ein Reiseziel. In Wien angekommen, nimmt er Unterricht bei Webern (hier vertreten mit seinem

UA Berlin I. – X.

Zafraan Ensemble

Liam Mallett (Flöten),

Miguel Pérez Iñesta (Klarinetten), Martin Posegga (Saxophone),

Anna Viechtl (Harfe),

Daniel Eichholz (Schlagwerk), Clemens Hund-Göschel (Klavier), Emmanuelle Bernard (Violine/Viola),

Josa Gerhard (Viola/Violine),

Martin Smith (Violoncello),

Beltane Ruiz Molina (Kontrabass).

Eine Produktion des Zafraan Ensemble. Gefördert von der Senats-verwaltung für Kultur und Europa, der Ernst von Siemens-Musikstiftung und der Dwight und Ursula Mamlok-Stiftung.

Künstlerische Leitung: Martin Smith, Josa Gerhard, Clemens Hund-Göschel

Konzept: Martin Smith, Stefan Weihrauch, Sebastian Solte, Josa Gerhard

Medienpartner: rbb Kultur, Digital in Berlin

„Quartett op. 22“aus den Jahren 1928-30). In Palästina will das keiner wissen oder hören, und so beginnt er seine letzte Ankunft 1938 in den USA. Dort ist unter seinen Schüler*innen nicht nur Morton Feldman (hier zu hören mit seinen „Durations 1“ von 1960), sondern auch die Berlinerin Ursula Mamlok, die 1939 von Berlin nach Ecuador emigriert war und 1940 ein Stipendium für New York erhielt. 2006 kehrt Mamlok nach Berlin zurück. Wäre der Kreis nicht für immer zerbrochen, so hätte er sich geschlossen. Von Ursula Mamlok sind „From My Garden“ und „Five Bagatelles“ zu erleben, außerdem die Uraufführung einer Komposition von Simon Phillips.

In den 1930ern fliegt es auseinander. „Die 1930er: Kein Ort, nirgends“ ist der Konzertabend am 20. November im Kunstbunker deshalb folgerichtig betitelt. Eben noch hört Berlin eine Uraufführung des weltberühmten Stravinsky, und plötzlich ist alles anders. Viele gehen, manche gehen in sich, und „arrangieren“ bekommt eine Bedeutung außerhalb des Musikalischen. Paul Dessaus 1935 komponierte Suite wird erst 1989 in Berlin uraufgeführt, da hören wir dann auch die restlichen Sätze. Rudolf Wagner-Régeny kommt so durch und bleibt nicht unverwundet. Paul Hindemith hat viele Schüler*innen allerorten und gründet dennoch keine Tradition. Den Rekord der meisten Schüler*innen aber hält bis heute: Carl Orff.

Zu hören sind: „Duo concertant“ von Igor Stravinsky (UA Berlin 1932), von Paul Dessau der 1. und 2. Satz aus „Suite für Altsaxophon und Klavier „(1935, UA Berlin 1989) sowie „Main Herz, main Herz für Gesang nach einer jiddischen Volksweise“ (1936), Rudolf Wagner-Régenys „Liebeslied“ von 1950, Solo – Arioso – Duett aus „Trio für Klavier, Bratsche und Tenorsaxophon op. 47“ von Paul Hindemith (1928) und Elemente aus Carl Orffs ursprünglich 1930 – 1935 entstandener „Musik für Kinder“. Dazu wiederum zwei ganz neue Kompositionen von Etienne Haan und Dario Guerrero.

Mit „Die 1940er: Meisterklassenquartett“, am 5. Dezember im Foyer Haus D im Haus der Statistik, findet „UA Berlin“ seinen Abschluss für das Jahr 2020. Das große Schlachten in Europa ist vorüber. Vielleicht ist Hanns Eisler „Auferstanden aus Ruinen“ (UA Berlin 1949) das bekannteste, wenn nicht doch das meist gespielte Werk eines Komponisten der Neuen Musik des 20.Jahrhunderts. Und wie es sich für deutsche Hymnen gehört, erklingt es hier als Streichquartett. Eisler hatte seine Meisterklasse an der Akademie der Künste Ost inne, wie auch später Paul-Heinz Dittrich, der, Meisterschüler u. a. von Eisler, später selbst einer Meisterklasse vorstand, ebenso wie Ruth Zechlin, die wiederum Schülerin von Dessau war. Das könnte ewig so weitergehen. Neben Dittrichs „Singbarer Rest (nach Paul Celan)“von 1987 und Zechlins „Streichquartett N°6“ (UA Berlin 1978) wird in diesem Zusammenhang auch Günter Kochans „5 Sätze für Streichquartett“ (1961) zu hören sein. Außerdem der 2. Satz aus Joseph Haydns „Kaiserquartett C-Dur Hob. III:77“ und eine Uraufführung von Grégoire Simon.

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