Bundestagsabgeordnete kassieren mindestens 25,1 Millionen Euro durch Nebentätigkeiten

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben in der laufenden Legislaturperiode meldepflichtige Einkünfte von mindestens 25,1 Millionen Euro erhalten. Das berichtet die Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de an diesem Freitag, die gemeinsam mit dem SPIEGEL die Selbstauskünfte der Parlamentarier:innen auf der Internetseite des Bundestages ausgewertet hat. Wegen der intransparenten Offenlegungspflichten ist bei mehreren Millionen Euro unbekannt, wer die Geldgeber der Abgeordneten sind.

abgeordnetenwatch.de-Sprecher Roman Ebener fordert Konsequenzen: "Nebentätigkeiten von Politikerinnen und Politikern in der Wirtschaft sind ein Einfallstor für Lobbyismus. Durch die Postenvergabe an Abgeordnete erkaufen sich Unternehmen einen exklusiven Zugang zur Politik. Lobbyjobs in der Wirtschaft müssen verboten werden." 

Die wichtigsten Zahlen in der Übersicht:

  • Gesamthöhe der gemeldeten Nebeneinkünfte der Abgeordneten: mindestens 25,1 Millionen Euro (brutto) seit Beginn der Legislaturperiode im Jahr 2017
  • Abgeordnete mit mindestens einer bezahlten Nebentätigkeit: 215 von 709 MdBs (30,3 Prozent)
  • Überdurchschnittlich viele Hinzuverdiener:innen gibt es bei FDP (53 Prozent), CSU (50 Prozent), CDU (36 Prozent). Den geringsten Anteil haben die Grünen (13 Prozent)
  • Einkünfte aus anonymen Quellen: Bei mindestens 11,2 Millionen Euro sind die Geldgeber unbekannt. Dies betrifft Freiberufler wie Unternehmensberater, Rechtsanwälte oder Landwirte, die ihre Vertragspartner nur in anonymisierter Form angeben müssen („Kunde 1“)

Laut abgeordnetenwatch.de kassieren manche Abgeordnete zum Teil beträchtliche Summen. So erhielt die frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) allein für einen Verwaltungsratsposten mindestens 165.000 Euro, der frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gibt Beratungshonorare von mehr als einer halben Million Euro an.

abgeordnetenwatch.de kritisiert, dass in vielen Fällen die Quellen der Nebeneinkünfte unbekannt sind. Freiberufler:innen und Selbständige wie Landwirt:innen oder Anwält:innen können diese hinter Bezeichnungen wie "Kunde", "Vertragspartner" oder "Mandant" verbergen. So meldet der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auf seiner Bundestagsseite ein Anwaltshonorar in Höhe von mindestens 125.000 Euro an, das er von einem “Mandant 1” erhalten habe. 

"Dass unsere Abgeordneten teils beträchtliche Summen aus anonymen Quellen kassieren, ist skandalös. Alle Nebeneinkünfte müssen endlich vollständig auf den Tisch, mitsamt der Geldgeberinnen und Geldgeber," so Ebener. Laut Verhaltensregeln des Bundestages könnte Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble die Abgeordneten dazu verpflichten, zumindest die Branchen ihrer Geldgeber:innen anzugeben, doch dies haben bislang weder Schäuble noch seine Amtsvorgänger getan. 

Die Liste der Nebeneinkünfte wird wie in den Vorjahren von Freiberufler:innen und Selbstständigen angeführt:

  • Sebastian Brehm (CSU, Steuerberater): mindestens 3.134.500 Euro
  • Hans-Georg von der Marwitz (CDU, Landwirt): mindestens 2.155.000 Euro
  • Carl-Julius Cronenberg (FDP, Geschäftsführer mehrerer Unternehmen): mindestens 1.537.500 Euro
  • Albert Stegemann (CDU, Landwirt): mindestens 1.392.000 Euro
  • Enrico Komning (AfD, Rechtsanwalt): mindestens 952.500 Euro

Bei den Beträgen von Freiberufler:innen und Selbständigen handelt es sich um Bruttoumsätze, von denen diese Personal- und Sachkosten bestreiten müssen. Die Nebeneinkünfte sind von daher nur bedingt vergleichbar. Allerdings können sich aus den Geschäftsbeziehungen Interessenkonflikte ergeben. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Abgeordnete im Ausschuss mit einem Gesetzentwurf befasst sind, der ihre Vertragspartner:innen betrifft. Sichtbar werden solche Interessenkonflikte aber nicht, da die Vertragspartner:innen unbekannt sind.

Um geheimen Lobbyismus in die Schranken zu weisen, braucht es aus Sicht von abgeordnetenwatch.de dringend schärfere Transparenzregeln. "Welche Kontakte es zwischen Lobbyakteuren und der Politik gibt, erfährt die Öffentlichkeit so gut wie nie. Deshalb braucht es ein verbindliches und weitreichendes Lobbyregister. Wir fordern die Große Koalition auf, wirksame Maßnahmen zu beschließen, statt sich mit dem angekündigten Lobbyregister light zu begnügen," so Ebener. “Die Affäre um den CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor hat erneut gezeigt, dass Lobbyistinnen und Lobbyisten weitgehend ungestört im Verborgen agieren können. Das muss dringend ein Ende haben!”

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