Im Rahmen der StVO-Reform war auch ein neuer Bußgeldkatalog verabschiedet worden, der eigentlich seit April dieses Jahres gilt. Aufgrund eines Formfehlers wurde dieser jedoch kürzlich wieder zurückgezogen, und es ist nun bis auf Weiteres den einzelnen Bundesländern überlassen, die alte oder neue Bußgeldordnung anzuwenden.
Dadurch entsteht nun eine unklare Rechtslage. “In Anbetracht der Tausenden von Verkehrstoten jedes Jahr ist das Vorgehen des Bundesverkehrsministeriums völlig inakzeptabel”, sagt Thijs Lucas, Verkehrsexperte und Mitinitiator des Radentscheid Stuttgart. “Niemand sei gezwungen zu rasen. Nur wenige Stundenkilometer mehr könnten jedoch einen Unfallverlauf deutlich verschärfen, mit möglicherweise tödlichen Folgen.” Die Anpassung des Bußgeldkatalogs ist daher dringend geboten und die Rücknahme massiv gefährdend.
Verkehrsminister Scheuer hatte bisher versucht, seine Politik als fahrradfreundlich und nachhaltig darzustellen. “Wenn es darauf ankommt, schafft er es jedoch offenbar nicht, sich gegen die Autolobby durchzusetzen. Nachdem das einmonatige Fahrverbot für Auto-Raser*innen bereits in Kraft getreten war, ist er nun der Meinung, dies sei eine unverhältnismäßige Strafe. Statt sich für die schnelle Korrektur des Formfehlers bei der Anpassung des Bußgeldkatalogs einzusetzen, versucht Scheuer die Situation zu missbrauchen und bereits erreichte Verbesserungen für die Verkehrssicherheit wieder zurückzudrehen.” kritisiert Ragnhild Sørensen vom Verein Changing Cities.
Gemeinsam mit den bundesweiten Radentscheiden fordert Changing Cities eine schnellstmögliche Behebung des Formfehlers und damit wieder klare und verständliche Regelungen für alle Verkehrsteilnehmer*innen. Es darf jedoch auf keinen Fall einen Schritt zurückgegangen werden. Die bereits eingeführten Änderungen für mehr Verkehrssicherheit müssen bestehen bleiben. Dies betrifft unter anderem das Fahrverbot bei Tempoverstößen ab 21 km/h innerorts und 26 km/h außerorts sowie die Sanktionen für das Parken im Kreuzungsbereich und gefährliche Überholmanöver.
Sollte es jedoch über die bereits ausgehandelten Neuerungen hinaus zu einer erneuten inhaltlichen Überarbeitung des Bußgeldkatalogs kommen, muss die Verkehrssicherheit einen höheren Stellenwert bekommen. Denn nur durch wirksame Bußgelder und spürbare Sanktionen kommen wir der #Vision Zero und dem Ziel einer funktionierenden Mobilität für alle ein Stück näher.
Den Brief in voller Länge finden Sie hier: https://changing-cities.org/offener-brief-andreas-scheuer-stvo-novelle/
Über die Initiative Volksentscheid Fahrrad, ein Projekt von Changing Cities: Hinter dem Volksentscheid stehen Engagierte, Mobilitätsexpert*innen, Demokratie-Retter*innen und Fahrrad-Enthusiast*innen. Ein 10-Punkte-Plan des geplanten Gesetzes benannte konkrete Maßnahmen, jährliche Zielsetzungen und eine Umsetzungsverpflichtung innerhalb von acht Jahren. Der Volksentscheid Fahrrad wurde Berlins schnellster Volksentscheid: Der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens wurde innerhalb von nur dreieinhalb Wochen von 105.425 Berliner*innen unterschrieben – 7 Prozent der Wähler*innenstimmen. Die neue Koalition sagte darauf zu, alle Ziele und Forderungen zu übernehmen. Am 28. Juni 2018 verabschiedete der Berliner Senat Deutschlands erstes Mobilitätsgesetz. Jährlich werden nun mehr als 50 Mio. Euro in die Radwege investiert.
Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.
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