Leber heißt leben – Krebsdiagnose verändert alles

Krebs ist eine lebensverändernde Erkrankung. Die Diagnose hinterlässt tiefe Einschnitte in das eigene Leben. So war es auch bei Claudia Tautz aus Schwäbisch Hall. Als sie vom Befund Leberkrebs am Schwäbisch Haller Diak Klinikum erfährt, ist sie geschockt. Es beginnt ein 114 Tage langer Genesungsweg für Sie und ihre Familie.

„Kurz bevor ich die Diagnose bekommen habe, habe ich zu Hause den ganzen Garten umgestaltet. Daher war es für mich erklärbar, dass ich mich plötzlich so abgeschlagen und müde gefühlt habe“, erzählt die gelernte Verwaltungsfachangestellte, die gemeinsam mit ihrer Familie einen Friseursalon in der Schwäbisch Haller Innenstadt betreibt. „Als mir meine Tochter dann aber die Haare geschnitten hat, ist ihr aufgefallen, dass sich mein Gesicht gelb verfärbt hat.“ Verantwortlich ist das sogenannte Bilirubin, der Gallefarbstoff. Dieser grünlich-braune Farbstoff entsteht beim Abbau ausgedienter roter Blutkörperchen, die eigentlich durch den Urin ausgeschieden werden. Bei einer Lebererkrankung lagert sich der Farbstoff im Gewebe ab und es kommt zu einer Gelbfärbung der Haut und Augen. Ein alarmierendes Zeichen, dass laut Professor Dr. Markus Golling, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Diak, bereits ein mögliches Indiz für eine Krebserkrankung ist. Zusammen mit den Anzeichen Abgeschlagenheit, unbeabsichtigter Gewichtsverlust und hell verfärbtem Stuhlgang bei Schmerzlosigkeit, deutet das entweder auf eine Leberkrebs- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs Erkrankung hin. „Beides sind sehr schwerwiegende Diagnosen“, sagt Professor Golling.

Ein langer Leidensweg beginnt

Claudia Tautzs Hausarzt überweist die 61-jährige im Januar 2020 ans Diak Klinikum. Eine Magen- und Darmspiegelung, bildgebende Verfahren wie CT und MRT, Ultraschalluntersuchungen und ein großes Laborbild, dass auch Tumormarker anzeigt, gehörten zu den diagnostischen Instrumenten. „Da haben wir dann gesehen, dass Frau Tautz einen großen zentralen Lebertumor entwickelt hat, der auch die Gallenwege verschlossen hat“, sagt Professor Golling. Bevor jedoch ein Therapieplan erstellt werden konnte, mussten die Gallenwege der Leber drainiert werden, um Flüssigkeit abzulassen und so den Gallefarbstoff zu senken.

Was dann folgt, ist auch im Diak etwas ganz Besonderes. Professor Golling erklärt Frau Tautz, dass nur eine Leberteilung und anschließender Teilleberentfernung Heilung bringen kann. Für Frau Tautz heißt das: es sind zwei operative Eingriffe notwendig. Dieses Verfahren nennt sich ALPPS und steht für „Associating Liver Partition and Portal Vein Ligation for Staged Hepatectomy“, also die Teilung der Leber und Durchtrennung der Pfortader. „Ich habe mit Frau Tautz besprochen, den Eingriff vorzugsweise in Heidelberg am Uniklinikum durchführen zu lassen. Dort ist eine größere Routine bei diesen Hochrisikooperationen vorhanden“, sagt Professor Golling, der vor Jahren selber dort zu einem hochspezialisierten Leberoperateur inklusive Transplantation ausgebildet wurde. Das Ehepaar Tautz aber konnte sich nicht vorstellen, so weit voneinander entfernt zu sein und bevorzugt eine wohnortnahe Behandlung. „Das kann ich sehr gut nachvollziehen“, erklärt Golling. „Der familiäre Zusammenhalt ist gerade bei so schwerwiegenden Erkrankungen für die Psyche der Patienten wichtig und kann den Verlauf positiv beeinflussen.“ Deshalb überlegte er sich, wie er der Familie auch in Schwäbisch Hall helfen kann und kam auf die Idee, seinen ehemaligen Schüler, der inzwischen selbst Professor an der Uniklinik Heidelberg ist nach Schwäbisch Hall zu holen. „Mit Professor Arianeb Mehrabi haben wir einen exzellenten Chirurgen an Bord genommen, der bei dieser Operationsmethode einer der Erfahrensten in Deutschland ist.“

Expertise aus Heidelberg

In einer ersten Operation, die Mehrabi zusammen mit Golling durchführt, wird die Leber geteilt und zwar so, dass beide Leberteile weiterhin durch die zuführenden Gefäße durchblutet werden. Eine zweite nicht Sauerstoff führende, für die Leber wichtige Ader wird aber durchtrennt: die Pfortader. „Ein solcher Eingriff der Teilung ist technisch kompliziert. Das hängt auch mit der Beschaffenheit der Leber und der Nähe zu großen Gefäßen (Vena Cava) zusammen, deren Außenwände dünn wie Papier sind. Eine Blutung bei einem solchen Eingriff kann den Tod des Patienten bedeuten“, weiß Golling. Doch alles geht gut. Nach dem ersten Eingriff wird Frau Tautz auf die Intenstivstation verlegt und eine Woche lang beobachtet. Die Verlegung auf eine Normalstation wäre in diesem Stadium höchst riskant. Während dieser Woche konnte sich der kleinere Teil der Leber regenerieren und um ca. 33 Prozent vergrößern. „Erst wenn eine solche Vergrößerung des verbleibenden, kleineren Teils der Leber erfolgt ist, können wir den mit dem Tumor befallenen restlichen Teil entfernen. Anders wäre der Patient nicht überlebensfähig“, so der Chefarzt. Nicht umsonst, ergänzt er, hieße die Leber, wie sie heißt. „Leber bedeutet leben.“

Im zweiten Eingriff eine Woche später wird Frau Tautz der Tumor, sowie der durch den Tumor befallene Teil der Leber endgültig entfernt. Auch dieser Eingriff ist kompliziert – und wieder geht alles gut. „Wir waren so glücklich, als wir erfahren haben, dass beide Operationen gut gegangen sind und ich wieder gesund werde“, sagt Claudia Tautz. Nach einer kurzen Zeit auf Intensivstation, verlegen die Ärzte sie auf die Normalstation. Es ist Anfang März und die Familie Tautz freut sich auf Ihre Entlassung. Sie hat diese schlimme Erkrankung überstanden. Kurz vor ihrer Entlassung aber fiebert die Patientin plötzlich stark, ihre Atmung wird schlecht.

Noch sind am Diak keine zur Coronapandemie anstehenden Sonderregelungen in Kraft. Erst in der Folgewoche kommt es zur Hochphase im Landkreis und im DIAK. Und dennoch: die Ärzte sind alarmiert – testen Frau Tautz auf eine Coronainfektion. Negativ. Ein zweiter Test untersucht auf Influenza – und das ist es. Schnell muss gehandelt werden, denn Frau Tautz ist aufgrund der voran gegangenen Operationen noch sehr schwach und höchst gefährdet. Wieder kommt die Hallerin auf die Intensivstation. „Vier Wochen lang musste ich beatmet werden, lag in einem künstlichen Koma und habe nichts von der Welt da draußen mitbekommen“, sagt sie, noch immer sichtlich von ihrer damaligen Situation angefasst. „Nach vier Wochen haben mich die Intensivmedziner aus dem Koma geholt und ich konnte wenigstens wieder etwas hören. Sprechen ging aber aufgrund des Beatmungsschlauches nicht.“

Irgendetwas stimmt hier nicht

Sie merkt, dass irgendetwas um sie herum vor sich geht, etwas nicht stimmt. Ihr Mann kommt nicht mehr zu Besuch – für ihn sehr ungewöhnlich. „Wir verbringen so viel Zeit zusammen und vor meiner Leberoperation und auch danach war er immer bei mir. Und dann auf einmal – kein Besuch mehr. Das hat mich gewundert“, sagt Claudia Tautz. Erst als sie einer Pflegekraft einen Kugelschreiber aus der Kitteltasche stibitzt und Zeichen gibt, damit etwas aufschreiben zu wollen, erfährt sie vom Corona-Lockdown. „Das war dann nochmal ein Schock für mich“ erzählt sie und lacht dann. „Ich habe wirklich alles mitgenommen, was man mitnehmen kann. Krebs, Influenza und dann verschlafe ich auch noch den Corona-Lockdown.“ Ihr Mann darf sie in dieser Zeit nicht besuchen kommen. Zu groß ist die Gefahr vor einer Ausbreitung des Coronavirus. „Wir haben aber telefoniert. Und auch, als ich noch beatmet war, aber schon wieder um mich herum Dinge wahrnehmen konnte, hat er täglich auf der Station angerufen. Ich habe seine Stimme hören können und das war beruhigend.“

Vier Monate nach ihrer Aufnahme am Diak wird Claudia Tautz entlassen. „Das war ein wunderbares Gefühl, endlich nach Hause zu dürfen“, sagt sie. Doch noch immer spürt sie die Nachwirkungen ihrer langen Zeit auf Intensivstation. „Ich musste das Laufen neu lernen, die Muskeln haben sich komplett zurückgebildet und ich habe auch keine Ausdauer und Kondition mehr gehabt.“ Deshalb kamen täglich Physiotherapeuten zu ihr ins Patientenzimmer, die aktivierende Übungen mit ihr machten. Heute kommt einmal die Woche ein Physiotherapeut zu Claudia Tautz nach Hause. „Mittlerweile klappt es schon wieder ganz gut – aber ich bin noch immer schnell erschöpft und muss mich ausruhen.“ Alltägliche Dinge wie Einkaufen übernehmen ihre Kinder für sie. Zu groß ist die Angst, sich auch noch mit Corona zu infizieren. „Ich gehöre zur Risikogruppe und das muss ich nun nicht auch noch mitmachen“, lacht sie. Ihr Mann und sie bleiben vor allem zu Hause. „Wir sind viel in unserem Garten und genießen das auch sehr“, sagt sie. Und dass der Garten schon umgestaltet wurde, macht es nun noch angenehmer. Doch trotz der Freude über die Genesung mahnt Golling zur Vorsicht: „Bei so einer schweren Erkrankung kann es zu Rückschlägen und Rückfällen kommen und regelmäßige Untersuchungen bleiben unabdingbar.“ Gemeinsam nach vorne blicken, dass wollen die Tautzs jetzt erst einmal. „Unsere Tochter heiratet bald und es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass ich dabei sein kann.“

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