- Rekordjahresauftakt und vor dem Lockdown angebahnte Großdeals sorgen mit 28,5 Milliarden Euro Transaktionsumsatz für stärkstes Halbjahresergebnis der letzten 10 Jahre
- Anleger goutieren Deutschlands Krisenfestigkeit
- Corona-bedingte Preisnachlässe kaum am Markt spürbar, risikoadjustierte Renditespreizung in zweiter Jahreshälfte erwartet
- Anziehendes Neugeschäft in den kommenden Monaten realistisch
Nach Angaben von Colliers International wurden bis zur Jahresmitte 2020 gewerblich genutzte Immobilien mit einem Transaktions-volumen von 28,5 Milliarden Euro gehandelt. Das ist der höchste Wert für diese Berichtsperiode in den vergangenen 10 Jahren. Dieses Resultat ist vor allem dem Allzeithoch von 17,6 Milliarden Euro Umsatz im ersten Quartal geschuldet, aber auch das zweite Quartal erwies sich trotz nachlassender Dynamik als sehr robust.
Hochphase des Investmentbooms wirkt nach, Marktaktivitäten kamen auch während Lockdown-Phase nicht zum Erliegen
Christian Kadel, Head of Capital Markets bei Colliers International: „Mit 10,1 Milliarden Euro ist der Transaktionsumsatz in den Monaten April bis Juni gegenüber dem Fünfjahresdurchschnitt für diese Periode aufgrund Corona-bedingter Einschränkungen um 16 Prozent zurückgefallen. Dennoch ist das Transaktionsgeschehen angesichts der für das laufende Jahr vorhergesagten stärksten Rezession der Nachkriegszeit und der hohen Verunsicherung in allen Bereichen der Wirtschaft weiterhin beachtlich. Wegen der naturgemäß langen Vorlaufzeit der Abschlüsse gerade im großvolumigen Segment stammten alle bis Ende Juni unterzeichneten Deals aus der Vor-Corona Zeit. Erfreulicherweise wurden viele Transaktionen trotz erschwerter Bedingungen und der allgemeinen Stimmungseintrübung erfolgreich durchgezogen, vergleichsweise wenige verschoben oder gar ganz ausgesetzt. Die Hochphase am Investmentmarkt wirkt dank der fundamental stabilen Rahmenbedingungen nach. Allerdings wurde bis zur Verkündung erster Lockerungen Anfang Mai weitestgehend von Produktneuplatzierungen Abstand genommen. Seither registrieren wir jedoch auch wieder steigendes Interesse auf der Verkäuferseite, neue Deals in den Markt zu geben. Die Nachfrageseite reagiert darauf mit einer signifikanten Zahl an Geboten.“
Ausgehandelte Großdeals werden weiter zum Abschluss gebracht, Neuanbahnungen kommen nach Lockerungen wieder allmählich in Gang
Unter den im zweiten Quartal abgeschlossenen Großdeals befand sich das rund eine Milliarde Euro teure Büroimmobilienportfolio, das 10 Objekte in den Investmentzentren Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf und München umfasst und im Zuge der Unternehmensübernahme von Godewind an den französischen REIT Covivio überging. Mehr als 500 Millionen Euro wurden auch für die Übernahme eines Kaufhof-Portfolios von der RFR Holding an einen Opportunity Funds des US-amerikanischen Investors Apollo bezahlt.
Portfolioverkäufe prägten somit auch in den letzten Monaten das Marktgeschehen und erzielten mit einem Anlagevolumen von 13,8 Milliarden Euro einen Marktanteil von 48 Prozent. Wie seit Mitte 2019 zu beobachten, ist ein wesentlicher Teil davon auf Unternehmensübernahmen und -beteiligungen zurückzuführen, die angesichts knapper Produktverfügbarkeit anstelle direkten Immobilienerwerbs eingegangen wurden. Im zweiten Quartal sind aber auch mehrere Paketverkäufe zu beobachten, die der Bereinigung und Neuausrichtung des Unternehmensportfolios dienen. So übertrug Consus in zwei Transaktionen einmal acht gemischtgenutzte Quartiersentwicklungen auf Partners Immobilien Capital Management und weitere 17, überwiegend in B-Städten gelegene Projektentwicklungen auf die Gröner Group mit dem Ziel, sich zukünftig auf Wohnentwicklungen in den Top-Märkten Deutschlands und Europas zu fokussieren. Die TLG legte mit dem Verkauf von 120 lebensmittelgeankerten Einzelhandelsobjekten ebenfalls die Basis für eine Neuausrichtung des Immobilienbestands, der zukünftig einen Büro-Schwerpunkt haben soll. Kadel: „Diese Verkäufe sind wegen ihrer langfristigen strategischen Reichweite weniger als kurzfristige Reaktion auf die aktuellen Marktentwicklungen zu interpretieren, als vielmehr auf die fortgeschrittene Hochphase im Immobilienzyklus, die mit der Pandemie eine unerwartete Wende nahm.“
Ausbleiben von großen Landmark-Deals macht sich vor allem in den TOP 7 bemerkbar
Im Gegenzug blieben im zweiten Quartal die ganz großen Landmarkdeals in der Größenordnung ab 250 Millionen Euro aufwärts aus. Mit mehr als 200 Millionen Euro blieb das Münchener Büroobjekt SOHO Munich die größte Einzeltransaktion. Solche Deals waren im Vorjahr in fast allen sieben Investmentzentren wesentliche Treiber hinter den Allzeithochs, die sich schon zur Jahresmitte abzeichneten. Nur dank des sensationell starken Vorquartals konnten in diesem Jahr die TOP 7 bis Ende Juni dennoch insgesamt 13,5 Milliarden Euro auf sich vereinen und das Vorjahresniveau noch einmal erreichen. Der Marktanteil sank binnen der letzten drei Monate von 52 auf 47 Prozent. Unter den sieben Top-Städten verteidigt die von der TLG-Übernahme im ersten Quartal besonders begünstigte Bundeshauptstadt Berlin mit rund 4,5 Milliarden Euro den Spitzenplatz, gefolgt von Frankfurt mit 2,7 Milliarden Euro und München mit 1,9 Milliarden Euro. Hamburg (1,8 Milliarden Euro) und Düsseldorf (1,4 Milliarden Euro) konnten gegenüber dem Vorjahr sogar hinzugewinnen, während die schon 2019 von Produktmangel geprägten Märkte Köln (rund 690 Millionen) und Stuttgart (rund 630 Millionen Euro) im Vorjahresvergleich zurückfielen.
Vertrauen der Investoren in deutschen Markt weiter hoch
Matthias Leube, CEO bei Colliers International Deutschland, bestätigt: „Das Transaktionsgeschehen am deutschen Gewerbeimmobilienmarkt kam in den letzten Wochen zu keinem Zeitpunkt zum Stillstand. Hierin spiegelt sich das große Vertrauen institutioneller Investoren in den deutschen Immobilienmarkt wider. Dieser war zu Beginn des Corona-bedingten Lockdowns sowohl im Vermietungs- wie auch im Investmentbereich fundamental sehr gut aufgestellt. Zudem dürften die schon zu Beginn des Lockdowns gewährten Überbrückungshilfen, das bereits in der Finanzkrise bewährte Instrument der Kurzarbeit und das im Juni auf den Weg gebrachte größte Konjunkturpaket aller Zeiten vom Krisenmanagement Deutschlands überzeugt haben.“
Allerdings wurden internationale Investoren nicht zuletzt durch Lockdown-bedingte Einschränkungen bei der Abwicklung von Transaktionen in den Monaten April bis Juni stark ausbremst. Während im ersten Quartal 8,9 Milliarden Euro ausländisches Kapital platziert wurde, sank die Anlagesumme im zweiten Quartal um mehr als die Hälfte auf 3,9 Milliarden Euro, wobei alle in diesem Zeitraum abgeschlossenen Transaktionen eine Historie vor Corona aufwiesen. Angesichts dieser Deals waren erneut Investoren aus Frankreich, Großbritannien sowie aus den USA unter den größten Anlegernationen vertreten. Diese drei Länder brachten in der ersten Jahreshälfte rund 17 Prozent des Transaktionsvolumens auf. Schreibt man die Übernahme der TLG durch Aroundtown, hinter denen zumindest in Teilen israelische Anleger stehen, Israel als Hauptgeberland zu, so handelt es sich damit im bisherigen Jahresverlauf nach Deutschland mit 55 Marktanteil um die größte Nation mit 14 Prozent. Das erklärt auch den insgesamt hohen Anteil ausländischer Investoren von 45 Prozent bzw. die Anlagesumme von 12,8 Millionen Euro Stand Juni. Asien als Ausgangsregion der Pandemie spielte mit 211 Millionen Euro bzw. etwas weniger als einem Prozent Marktanteil erwartungsgemäß eine sehr geringe Rolle.
Bezüglich der am Markt aktivsten Investorengruppen änderte sich das Bild kaum. Hier wirkten die im ersten Quartal prägenden Großdeals, allen voran die Übernahme des TLG-Portfolios, fort. Die Transaktion im Wert von rund vier Milliarden Euro begründete im Wesentlichen die Dominanz von Immobilien AGs sowohl auf der Verkäuferseite mit 8,5 Milliarden Euro bzw. 30 Prozent Marktanteil als auch auf Käuferseite mit 5,6 Milliarden Euro bzw. 20 Prozent Anteil. Die erwähnten Verkäufe durch Consus sorgten auf der Verkäuferseite für einen relativen Bedeutungszuwachs der Projektentwickler-Branche. Diese behauptete sich im ersten Halbjahr mit 22 Prozent Marktanteil auf Platz 2, deutlich vor den Asset- und Fondsmanagern mit 13 Prozent. Auf der Käuferseite lieferten sich erneut Offene und Spezialimmobilienfonds mit Asset- und Fondsmanagern (jeweils 16 Prozent) ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Transaktionsgeschehen nach Assetklassen spiegelt noch überwiegend Anlageentscheidungen aus der Vor-Corona-Zeit wider
„Angesichts eines durchschnittlichen Anbahnungszeitraums bei größeren Transaktionen von mindestens einem halben Jahr spiegelt die derzeitige Verteilung des Anlagevolumens nach Asset-Klassen noch überwiegend die Investitionsentscheidungen aus der Vor-Corona-Zeit wider,“ beobachtet Leube. Demzufolge bleiben Büros mit 42 Prozent Marktanteil die beliebteste Immobilienart, gefolgt von Einzelhandelsimmobilien. Trotz der Corona-bedingt starken Schwächung der Einzelhandelsbranche blieb der Anteil von 23 Prozent gegenüber dem Vorquartal stabil und ist nicht nur allein auf die Veräußerung von lebensmittelgeankerten Fachmarktportfolien, die als allgemeine Krisenprofiteure gelten, zurückzuführen. Diese Beobachtung trifft auch auf Industrie- und Logistikimmobilien zu, die im Vergleich zum Vorquartal ebenfalls eine Stabilisierung des Marktanteils von 11 Prozent verzeichneten. Die Hotelimmobilie, die von der Krise am stärksten betroffene Immobilienart, weist einen leichten Rückgang von sechs auf fünf Prozent auf. Entgegen der aktuellen Risikobeurteilung von Projektentwicklungen durch Investoren registrierten Grundstücksverkäufe ein Plus von vier Prozentpunkten. Ihr Marktanteil lag Ende Juni bei 10 Prozent. Zu diesem Ergebnis trugen unter anderem die beiden unternehmensstrategisch geprägten Consus-Transaktionen bei.
Noch keine Evidenz für steigende Renditen
Kadel: „Auch beim Pricing sehen wir momentan noch die Ergebnisse der Kaufpreisverhandlungen von vor Ausbruch der Krise. Gerade im Spitzensegment der sieben Top-Märkte konnten wir bislang keine nennenswerten Preisabschläge feststellen. Die Renditen verharrten auf dem niedrigen Niveau zum Ende 2019. Gleichzeitig fehlt uns für eine marktgerechte Preisermittlung bei Immobilien, die höhere Risiken bezüglich der Objekt- oder Lagequalität aufweisen, eine belastbare Anzahl von Kauffällen. Wir gehen aber davon aus, dass sich erhöhte Risiken, die schon jetzt mit steigenden Finanzierungskosten einhergehen, stärker in der Preisfindung niederschlagen. Bei gleichbleibenden Renditen, aber teilweise veränderten Underwriting-Annahmen erwarten wir mehr Vergleichstransaktionen, die diese Veränderungen widerspiegeln. Wegen der schon jetzt unter den Investoren festzustellenden ‚Flucht in Qualität‘ sind wir sehr zuversichtlich, dass die Spitzenrenditen Bestand haben werden.“
Ausblick: Optimistischer Ausblick auf die zweite Jahreshälfte
Leube: „Der in der Phase des Shutdowns befürchtete Stillstand am Immobilienmarkt ist ausgeblieben, und noch immer ist die Dealpipeline der Boomphase nicht abgearbeitet. Vielmehr ruhten bei zahlreichen sehr großen Abschlüssen mehrere Wochen lang allein aus prozessualen Gründen die Verhandlungen. Diese kommen nun allmählich wieder in Gang und werden voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte umgesetzt. Gleichzeitig bekunden Verkäufer und Käufer verstärktes Interesse am Neugeschäft, zumal Immobilien im anhaltenden Niedrigzinsumfeld und bei zunehmendem Liquiditätsdruck als Assetklasse stark begehrt bleiben. Ein anziehendes Neugeschäft schon in den nächsten Wochen halten wir für sehr realistisch. Unter den gegebenen Unsicherheiten ist eine Prognose schwierig, allerdings auf Basis unserer Befragung von Marktteilnehmern erwarten wir, dass das Transaktionsvolumen bei über 50 Milliarden Euro liegen könnte – einen Wert, den wir vor Beginn der außergewöhnlichen Hochphase 2015 beobachtet haben.“
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