Online-Petition gegen Wahl Harbarths läuft aktuell
Mit dem Fall Harbarth, seiner früheren Tätigkeit für die Kanzlei SZA und der ungeklärten Einkommensverhältnisse als Bundestagsabgeordneter beschäftigen sich vor allem die sozialen Medien. Die Bürgerrechtlerin Marianne Grimmenstein hat auf der Plattform www.change.org eine Online-Petition gegen die Wahl Harbarths zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts auf den Weg gebracht. Bisher haben rund 11.313 User unterschrieben. Grimmenstein hält Harbarth aufgrund seiner beruflichen und politischen Vergangenheit für ungeeignet, Nachfolger von Andreas Voßkuhle zu werden. Sie und ihre Unterstützer fordern daher den Bundesrat dazu auf, Harbarth nicht in das Amt des Gerichtspräsidenten zu wählen. Sie befürchtet durch eine mögliche Wahl die Demontage des Rechtsstaates. „Ein Konzern-Lobbyist, wie Stephan Harbarth einer ist, wird niemals unserem Gemeinwohl dienen“, fasst Grimmenstein ihr Unwohlsein bei der Personalie zusammen. Neben der Online-Petition initiierte sie noch eine Unterschriften-Sammlung gegen die Wahl Harbarths zum Präsidenten. Am 12. Mai 2020 konnte sie insgesamt 14.451 Unterschriften dem Präsidenten des Bundesrates Dietmar Woidke und den Mitgliedern des Bundesrates zuschicken. An der Online-Petition können sich besorgte Bürger weiter beteiligen.
Sie forderte dabei von Woidke, sich von einer möglichen Wahl Harbarths zu distanzieren. Über die Online-Petition rief die Aktivistin die Unterzeichner dazu auf, sich mit der Forderung, Harbarth nicht zu wählen, auch per Mail an den Bundesrat zu wenden.
Grimmenstein ist durch ihren Kampf gegen das höchst umstrittene Freihandelsabkommen CETA deutschlandweit bekannt geworden. Sie hat nach eigenen Angaben die größte Bürgerklage der Bundesrepublik vor das Bundesverfassungsgericht gebracht. Mit einer eigenen Beschwerde scheiterte sie allerdings im ersten Anlauf vor dem Gericht. Daraufhin brachte sie eine zweite Beschwerde inklusive Eilantrag gegen das Abkommen auf den Weg. 68.058 Bürger beteiligten sich an dem Verfahren. Im Oktober 2016 lehnte das Gericht den Eilantrag ab, setzte aber bis zur endgültigen Prüfung der Klage der Bundesregierung enge Grenzen. Bei der Unterzeichnung durch die Bundesregierung muss gewährleistet sein, dass Deutschland das Abkommen trotz des vorläufigen Inkrafttretens durch ein einseitiges Kündigungsrecht wieder aufkündigen kann. Es sollen zunächst nur die Teile des Abkommens gelten, die in die Zuständigkeit der EU fallen. Bis heute steht eine endgültige Entscheidung des Gerichts noch aus. Bei der entsprechenden Online-Petition gegen CETA haben bis heute fast 319.000 User unterschrieben.
Postenschacher um Nachfolge von Verfassungsrichtern
Am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe steht ein großes Stühlerücken an. In diesem großen Postenschacher könnte die Wahl des Gerichtspräsidenten relativ unbemerkt über die Bühne gehen. Der umstrittene Stephan Harbarth soll dem scheidenden Andreas Voßkuhle nachfolgen. Alle Richterwahlen finden im Bundesrat statt. Nächstmöglicher Termin für die Wahl wäre die Sitzung am kommenden Freitag, 15. Mai 2020. Auf der Tagesordnung steht eine mögliche Richterwahl noch nicht.
Im Ersten Senat ist der Posten von Johannes Masing nachzubesetzen. Seine Amtszeit war bereits im April nach zwölf Jahren zu Ende gegangen. Der Nachfolger wird im Bundesrat gewählt, das Vorschlagsrecht liegt diesmal bei der SPD. Eine weitere freiwerdende Richterstelle im Zweiten Senat wird auf Vorschlag der Grünen besetzt, auch hier entscheidet der Bundesrat. Hier geht es um die Nachfolge von Andreas Voßkuhle als Richter. Auch seine Amtszeit ist bereits zu Ende gegangen. Für die Nachfolge von Richter Voßkuhle wollen die Grünen Prof. Dr. Astrid Wallrabenstein vorschlagen. Sie ist Rechtsprofessorin in Frankfurt/Main. Ihre Spezialgebiete sind das Sozialversicherungs- und das Staatsangehörigkeitsrecht.
Die SPD hingegen kann sich bisher nicht entscheiden, wenn sie nominieren möchte. Ein Kandidat ist Prof. Dr. Martin Eifert, Rechtsprofessor an der Humboldt-Universität in Berlin. Jes Möller war bis 2019 Präsident des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg. Er wäre der erste ostdeutsche Richter am Bundesverfassungsgericht, was sich 30 Jahre nach der Wiedervereinigung viele in der Ost-SPD wünschen. Dritter Kandidat ist Lars Brocker, der Präsident des Verfassungsgerichtshofs von Rheinland-Pfalz. Noch ist unklar, ob sich die SPD bis zum 15. Mai über ihre Prioritäten verständigen kann.
Tadellose Ruf des Verfassungsgerichts bereits jetzt beschädigt
Die Verbraucher-Kanzlei hatte am 28. November 2019 Beschwerde gegen die Ernennung des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Stephan Harbarth eingelegt, weil Mandanten die Befürchtung hatten, Harbarth könne aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Anwalt für die Lobbyisten-Kanzlei Schilling, Zutt & Anschütz aus Mannheim nicht objektiv Recht sprechen. Das Bundesverfassungsgericht hatte am 18. März 2020 (Az. 2 BvR 2088/19) die Verfassungsbeschwerde der Kanzlei gegen die Ernennung von Harbarth zum Bundesverfassungsrichter nicht angenommen. Überraschend war für die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer der ablehnende Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht gekommen. „Im Gegensatz zu einer öffentlichen Verhandlung erledigt sich die Sache auf diese Weise lautlos. Die ganze Sache ist dem Bundesverfassungsgericht ohnehin unangenehm“, meinte Ralph Sauer, Mitinhaber und Geschäftsführer der Kanzlei. Bereits jetzt hält Sauer das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts durch den Fall Harbarth für beschädigt. Mit den insgesamt vier Beschwerden gegen die Ernennung Harbarths zum Verfassungsrichter habe sich das Gericht nie wirklich beschäftigt, obwohl einige der Beschwerden Substanz hatten. Da werde lieber auf Biegen und Brechen an einer Personalie festgehalte, ohne tatsächlich den Sachverhalt zu prüfen.
Zweifel gegen Stephan Harbarth als Verfassungsrichter wachsen
Auf Grund seiner Doppeltätigkeit als Bundestagsabgeordneter und Vorstand bzw. Geschäftsführer der Kanzlei Schilling, Zutt & Anschütz SZA sowie ungeklärter Einkommensverhältnisse steht Stephan Harbarth seit Jahren in die Kritik – mehr hier. Für die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer und ihren Mandanten besteht der begründete Verdacht einer möglichen Fremdbeeinflussung des Bundesverfassungsrichters durch die Automobilindustrie, die von der Kanzlei SZA vertreten wird. Damit hat seine Ernennung unmittelbare rechtliche Auswirkungen auf die gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche der von der Automobilindustrie im Diesel-Abgasskandal geschädigten Verbraucher. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer vertritt im Skandal zahlreiche Verbraucher unter anderem gegen Volkswagen und Daimler. Insofern sah die Kanzlei in der Verfassungsbeschwerde das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 Grundgesetz) und dem unabhängigen Richter (Artikel 97 Grundgesetz) gefährdet.
Und die Zweifel an Harbarth wachsen weiter. In einem Handelsblatt-Artikel vom 5. März 2020 werden Fragen zur seiner fachlichen Reputation aufgeworfen. Im Juni 2018 wurde Harbarth in den Kreis der Herausgeber der renommierten „Zeitschrift für Gesellschaftsrecht“ (ZGR) aufgenommen. Zuvor war der CDU-Bundestagsabgeordnete Heribert Hirte aus dem Herausgeberkreis herausgedrängt worden. Dagegen klagt Hirte. Eine rechtskräftige Entscheidung steht dazu noch aus.
Bei der Zeitung für Gesellschaftsrecht wird ein Plan für die Aufnahme des künftigen Verfassungsrichters Harbarth hingegen bestritten. Peter Hommelhoff, ehemaliger Rektor der Universität Heidelberg und Mitherausgeber der ZGR sagt: „Den übrigen Herausgebern war bei Berufung von Herrn Harbarth im Juni 2018 nicht bekannt, dass er Ende 2018 zum Bundesverfassungsrichter berufen würde.“ Hommelhoff ist übrigens der Doktorvater von Stephan Harbarth.
In dem Artikel äußert sich Rechtsanwalt und CDU-Mitglied Claus Schmitz aus Köln skeptisch über die Berufung Harbarths zum Honorarprofessor der Uni Heidelberg im März 2018. Schmitz hatte auch Verfassungsbeschwerde gegen die Ernennung von Harbarth zum Verfassungsrichter eingelegt. Seine Beschwerde wurde wie die von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer nicht angenommen. Ohne eine Professur wäre Harbarth als Verfassungsrichter nicht durchsetzbar gewesen. Deshalb vertritt Schmitz die Ansicht, dass die Uni Heidelberg den Weg für Harbarth geebnet hat.
Anwalt Schmitz hat sich an die Universität gewandt, um zu klären, warum und durch wen Harbarth dort Honorarprofessor wurde. Doch die Universität verweigert ihm die Namen der zwei externen Gutachter, die die Professur stützen, sowie Einsichtnahme in die Gutachten. Auch dem Handelsblatt gegenüber beruft sich die Universität auf Vertraulichkeit – „im Interesse des offenen Wortes in den akademischen Berufungs- und Bestellungsverfahren.“ Gespräche im Vorfeld der Ernennung seien der Juristischen Fakultät „nicht bekannt“. Hinter vorgehaltener Hand erzählt man sich jedoch, dass der ehemalige Heidelberger Uni-Rektor, aktueller ZGR-Mitherausgeber und Harbarths Doktorvater Peter Hommelhoff bei der Ernennung zum Honorarprofessor Pate gestanden haben soll. War Hommelhoff womöglich einer der Gutachter? War der andere ein ehemaliger SZA-Anwalt, der jetzt als Professor lehrt, wie es auf Twitter geflüstert wird?
Bei der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH handelt es sich um eine der führenden Kanzleien im Abgasskandal. Die Kanzlei ist unter anderem auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Die Kanzlei führt mehr als 2000 Verfahren gegen verschiedene Autobanken wegen des Widerrufs von Autokrediten. Im Widerrufsrecht bezüglich Darlehensverträgen wurden mehr als 5000 Verbraucher beraten und vertreten. Daneben führt die Kanzlei mehr als 12.000 Gerichtsverfahren im Abgasskandal bundesweit und konnte bereits hunderte positive Urteile erstreiten.
In dem renommierten JUVE Handbuch 2017/2018, 2018/2019 und 2019/2020 wird die Kanzlei in der Rubrik Konfliktlösung – Dispute Resolution, gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten besonders empfohlen für den Bereich Kapitalanlageprozesse (Anleger). Die Gesellschafter Dr. Ralf Stoll und Ralph Sauer führten in der RUSS Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH für den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) außerdem die Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG und verhandelten einen 830-Millionen-Euro-Vergleich aus. Damit haben die beiden Inhaber Rechtsgeschichte geschrieben. Im JUVE Handbuch 2019/2020 wird die Kanzlei deshalb für ihre Kompetenz beim Management von Massenverfahren als marktprägend erwähnt
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