„Das Gesundheits- und Pflegesystem bereitet sich intensiv auf die zunehmenden Versorgungsbedarfe der Corona-Pandemie vor. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stehen große Herausforderungen bevor. Wir stoßen schon jetzt, da die Zahl der an COVID-19 erkrankten Menschen noch sehr überschaubar ist, beispielsweise bei der Beschaffung von Schutzausrüstung, an Grenzen.
Die Krankenhäuser haben binnen kurzer Zeit 12.000 zusätzliche Intensivbetten geschaffen. Damit sind wir vergleichsweise gut vorbereitet. Es ist der Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal, der die Grenzen des Machbaren bildet. So werden Pflegefachpersonen aus anderen Bereichen kurzfristig für einen Einsatz auf einer Intensivstation qualifiziert. Die Krankenhäuser befinden sich in einer schwierigen und derzeit unübersichtlichen Lage. So kommt es in einigen Häusern in Vorbereitung auf den Höhepunkt der Pandemie zu einer deutlich niedrigeren Auslastung, da Betten freizuhalten sind und in anderen Häusern zu einer starken bis teilweise dramatischen Mehrbelastung durch viele infizierte Patientinnen und Patienten, die versorgt werden müssen.
Das hat paradoxerweise zur Folge, dass Pflegefachpersonen aufgefordert wurden, Urlaub zu nehmen oder Kurzarbeit zu machen. An anderer Stelle kommt es zu Mehrarbeit bei gestiegenen Anforderungen und einer gleichzeitig dünneren Personaldecke, oder zu einer vorübergehenden Rückkehr von Pflegefachpersonen in den Beruf.
Was die Pflege jetzt braucht, sind kluge Strukturen der Arbeitsorganisation mit fairen Maßnahmen der Arbeitsreduktion bei geringerer Auslastung der Betten und angemessenen Pausen- und Erholungszeiten bei Mehrbelastung. Gut zusammengestellte Teams aus qualifizierten und erfahrenen Pflegefachpersonen müssen die weniger erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anleiten und begleiten. Strategien, wie freiwillige Rückkehrerinnen und Rückkehrer im Bedarfsfall passgenau eingesetzt werden können, müssen erarbeitet und umgesetzt werden.
Um diese Aufgaben zu bewältigen, braucht die Pflege alle erdenkliche Unterstützung. Dabei muss der Schutz der Pflegefachpersonen vor der Infektion und Überforderung beachtet werden. Die dazu erforderliche Schutzausrüstung zu beschaffen hat oberste Priorität. Dies gilt für alle Bereiche der Pflege, von der ambulanten Pflege über die Pflegeheime bis hin zu den Krankenhäusern.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat auf die berechtigte und deutliche Kritik der Krankenhäuser und Verbände mit Blick auf die Finanzierung schnell reagiert. Aus Sicht des Deutschen Pflegerats werden dennoch Schwächen in der Finanzierung sichtbar. Es muss unbedingt vermieden werden, dass Kliniken in eine wirtschaftliche Schieflage geraten und damit ungeregelt Versorgungsstrukturen und auch Arbeitsplätze verloren gehen.
Die von der Politik geforderte grundsätzliche Verschiebung aller planbaren Aufnahmen, Operationen und Eingriffe auf unbestimmte Zeit hat aktuell zur Reduzierung von Klinikleistungen zwischen 35 und 50 Prozent geführt. Schon jetzt ist erkennbar, dass der durch die Corona-Pandemie sowie politisch veranlasste Erlöseinbruch höher liegen wird, als die zur Verfügung gestellten Mittel. Eine Lösung für eine angemessene Finanzierung wäre ein Garantiebudget auf der Basis 2019 mit monatlichen Abschlagszahlungen. Wenig realistisch ist dagegen die Befristung des Schutzschirms bis September 2020. Die Freihaltepauschale von 560 Euro für die Kliniken wird begrüßt. Für die Unikliniken und Supramaximalversorger muss aber ein höherer Satz gelten, sonst droht hier eine eklatante Schieflage. Gleiches gilt für den geplanten Tagessatz im Rahmen der Pauschalierung des Pflegebudgets.
Ob die Erhöhung der pauschalen Pflegekostenfinanzierung mit jetzt 185 Euro pro Pflegetag ausreicht, muss in der Praxis überprüft und ggf. angepasst werden. Geboten ist es, dass die in der Pflege in allen Bereichen entstandenen Kosten, sei es durch Vervielfachung des Personaleinsatzes in den Bereichen Intensiv, Intermediate-Care und Infektionsstationen, sowie die Kosten aus der Überstundenentwicklung vollumfänglich refinanziert werden.
Und nicht nur die Krankenhäuser benötigen einen Schutzschirm zur Abfederung der wirtschaftlichen Risiken. Auch in der Langzeitpflege sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie aufzufangen.
Der zugesagte Bürokratieabbau muss sichtbar werden durch Vereinfachung in der Dokumentationspflicht für die Pflege und mit zugesagter Erlössicherung durch die Kostenträger.
Zur Überprüfung der Auswirkungen der Corona-Pandemie schlägt der Deutsche Pflegerat einen Beirat von Fachvertretern, eingesetzt durch den Gesetzgeber, vor. Dabei ist die Profession Pflege zwingend zu berücksichtigen. Denn diese hat eine Schlüsselrolle in der Bewältigung der Corona-Krise. Sie muss zudem bereits heute in alle aktuellen Krisenstäbe eingebunden werden. Dies geschieht derzeit zu selten. Eine Einbindung der Profession Pflege steht heute und in Zukunft bei allen Aufgaben, die sie betreffen, außer Frage.“
Der Deutsche Pflegerat e.V. wurde 1998 gegründet, um die Positionen der Pflegeorganisationen einheitlich darzustellen und deren politische Arbeit zu koordinieren. Darüber hinaus fördert der Zusammenschluss aus 15 Verbänden die berufliche Selbstverwaltung. Als Bundesarbeitsgemeinschaft des Pflege- und Hebammenwesens und Partner der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen vertritt der Deutsche Pflegerat heute die insgesamt 1,2 Millionen Beschäftigten der Pflege. Über die berufliche Interessensvertretung hinaus ist der Einsatz für eine nachhaltige, qualitätsorientierte Versorgung der Bevölkerung oberstes Anliegen des Deutschen Pflegerats.
Präsident des Deutschen Pflegerats ist Dr. h.c. Franz Wagner. Vize-Präsidentinnen sind Irene Maier und Christine Vogler.
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