Coronavirus gefährdet Journalisten in überfüllten iranischen Gefängnissen akut

Angesichts der Coronavirus-Epidemie ist Reporter ohne Grenzen (RSF) in äußerster Sorge um das Leben der Journalistinnen und Journalisten in den überfüllten iranischen Gefängnissen. Die Gesundheitsversorgung in diesen Haftanstalten ist schon in normalen Zeiten katastrophal. Immer wieder wird selbst schwer kranken Medienschaffenden eine angemessene ärztliche Versorgung verweigert. Durch die derzeitige Corona-Krise droht ihnen nun akute Lebensgefahr. Um die weitere Ausbreitung des Virus zu bremsen, ordnete Justizchef Ebrahim Raissi diese Woche eine Haftaussetzung für 70.000 Gefangene an. Politische Häftlinge sind davon jedoch ausgenommen.

„Der Iran muss alle inhaftierten Journalistinnen und Journalisten sofort freilassen, um sie vor zusätzlichen Gesundheitsgefahren durch die Corona-Epidemie zu schützen“, sagte der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr. „Schwer kranke politische Häftlinge unter den derzeitigen Umständen weiter im Gefängnis festzuhalten, ist völlig unverantwortlich. Gefangenen die medizinische Versorgung zu verweigern, verstößt gemäß dem UN-Zivilpakt gegen das Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung.“

Der Iran ist nach China und Italien das am stärksten vom Coronavirus betroffene Land weltweit: Bis Freitagmorgen (13.3.) waren 10.075 Erkrankungen und 429 Todesfälle bestätigt. Offizielle Zahlen über Corona-Fälle in den überfüllten iranischen Gefängnissen gibt es nicht, aber Angehörige von Häftlingen berichten von vielen Erkrankungen. Selbst manche Häftlinge mit Symptomen einer Corona-Erkrankung werden offenbar nicht auf das Virus getestet.

Von den jetzt bekanntgegebenen Sondermaßnahmen der Justiz sind Häftlinge ausgeschlossenen, die Haftstrafen von mehr als fünf Jahren wegen Vergehen gegen die nationale Sicherheit verbüßen – was die auf die meisten der derzeit mindestens 23 inhaftierten Medienschaffenden zutrifft.

UN-Sonderberichterstatter und Familien von Inhaftierten fordern Haftaussetzung

In einem offenen Brief haben die Familien einiger politischer Häftlinge die Behörden aufgefordert, ihre inhaftierten Angehörigen freizulassen oder ihre Haft zumindest bis zum Ende der Corona-Epidemie auszusetzen. Auch der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte im Iran, Javaid Rehman, appellierte diese Woche an die iranischen Behörden, alle politischen Gefangenen wegen der Corona-Krise vorübergehend freizulassen. Die Maßnahmen Irans zur Eindämmung der Epidemie bezeichnete er als unzureichend. In einem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat hatte der Sonderbeauftragte im Februar kritisiert, die mangelnde Hygiene in iranischen Gefängnissen führe zur Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und Hepatitis C.

Wahrscheinlich mit dem Coronavirus infiziert hat sich nach Angaben ihres Anwalts die seit zwei Jahren inhaftierte Journalistin Hengameh Schahidi, die eine zwölfjährige Freiheitsstrafe verbüßt. Sie wurde deshalb offenbar in die Krankenstation des Evin-Gefängnisses in der Hauptstadt Teheran verlegt, in dem traditionell viele politische Häftlinge einsitzen.

Auch andere aktuelle Beispiele illustrieren die katastrophalen Haftbedingungen. Die Ehefrau von Mohammad Scharifi Moghadam, der wegen seiner Arbeit für das Sufi-Onlineforum Madschsuban Nur zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt wurde, äußerte sich auf Twitter besorgt über seine Situation. In bislang gut zwei Jahren Haft sei ihm entgegen den gesetzlichen Bestimmungen noch kein einziger Tag Hafturlaub gewährt worden. Dasselbe gilt für sechs weitere Mitglieder seiner Redaktion.

Die schwer kranke Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi wurde jüngst sogar neuen Justizschikanen ausgesetzt. Anstatt sie angesichts der Corona-Krise freizulassen, verlegten die Behörden sie willkürlich aus Teheran in ein Gefängnis in der nordiranischen Stadt Sandschan. Dort sollte sie sich vor einem Gericht wegen „Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ verantworten, weil sie in Briefen die gewaltsame Niederschlagung der Massenproteste im vergangenen November kritisiert hatte. Die Leitung ihres Gefängnisses hat außerdem eine Beschwerde gegen Mohammadi eingereicht, in der sie der Journalistin Verleumdung und das Stiften von Unruhe in der Haftanstalt vorwirft.

Der Iran steht auf Platz 170 von 180 Ländern auf der Rangliste der Pressefreiheit. Mehr zur Lage der Journalistinnen und Journalistin dort finden Sie hier.

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