Hauptpreisträger in diesem Jahr war Prof. Dr. rer. nat. Burkhard Becher von der Universität Zürich. Mit 100.000 Euro Preisgeld erhielt er die europaweit höchstdotierte Auszeichnung für herausragende Beiträge zur Grundlagenforschung im Bereich der Multiplen Sklerose (MS). Mit dem Nachwuchspreis und je 10.000 Euro Preisgeld würdigte die Sobek-Stiftung die Forschungsarbeiten von Dr. rer. nat. Sarah-Christin Staroßom, Institut für Medizinische Immunologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, und Dr. med. univ. Simon Hametner, PhD, von der Medizinischen Universität Wien.
Prof. Dr. rer. nat. Burkhard Becher – Vom Nachwuchspreis zum Hauptpreis 2019 der Sobek-Stiftung
Die wissenschaftlichen Leistungen von Prof. Dr. rer. nat. Burkhard Becher sind von größter Bedeutung für das Grundverständnis der Multiplen Sklerose und ihrer immunpathologischen Mechanismen. Seine Forschungsgebiete reichen von der MS-Immunologie bis hin zu grundlegenden Fragen der Markscheiden-Schädigung, zur Rolle von verschiedenen Immunzellen und deren Regulation und den komplexen Zytokin-Netzwerken bei Hirnentzündungen. Seine wissenschaftlichen Erkenntnisse und Beiträge sind von großer und unmittelbarer Relevanz für das aktuelle Verständnis der Immunpathologie der MS als entzündlicher Hirnerkrankung und haben richtungsweisende Bedeutung für Ansätze zur molekularen Therapie der Zukunft.
Der gebürtige Kölner ist international stark vernetzt und an mehreren europäischen Universitäten als Partner und Ausbilder eingebunden, ebenso in internationale Fachgesellschaften und Gutachtergremien. Seine zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten wurden international in hochrangigen wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht. Er ist einer der meistzitierten Forscher seiner Altersgruppe.
Kurzum: Mit gerade 50 Jahren verfügt Professor Becher über eine herausragende Leistungsbilanz. 2004 hatte er schon den Sobek-Nachwuchspreis erhalten. „Seit seiner Auszeichnung als Nachwuchspreisträger der Sobek-Stiftung – und damit seit 15 Jahren – hat Professor Becher seine Forschung zu Multipler Sklerose konsequent fortgesetzt. Er hat damit eine internationale Spitzenstellung in der MS-Grundlagenforschung eingenommen“, würdigte Ulrich Steinbach, Amtschef im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, in seiner Laudatio die außergewöhnlichen Leistungen des Sobek-Nachwuchs- und Sobek-Forschungspreisträgers. Auf Veranstaltungen agiert der Direktor des Instituts für Experimentelle Immunologie an der Universität Zürich als Botschafter für die MS-Forschung. Einerseits leidenschaftlicher Forscher, hat er andererseits die Gabe, die komplexen Inhalte seiner Arbeiten auch einem breiten Publikum verständlich und anschaulich nahezubringen.
Sobek-Nachwuchspreise 2019 für Dr. rer. nat. Sarah-Christin Staroßom, Berlin, und Dr. med. univ. Simon Hametner, PhD, Wien
Die 36-jährige Biochemikerin und Medizinerin Dr. rer. nat. Sarah-Christin Staroßom untersucht an der Charité immunvermittelte Reparaturmechanismen am zentralen Nervensystem.
In ihrer Forschung stehen die Fragen im Fokus, wie die Degeneration von Oligodendrozyten und Markscheiden abgeschwächt und die Reparaturmechanismen verbessert werden können. „Dies ist ein Gebiet der MS-Forschung, das heute als eines der wichtigsten unter den aktuellen Forschungsbereichen gilt“, betonte Prof. Dr. Klaus V. Toyka, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Sobek-Stiftung, in seiner Laudatio. In ihrer letzten Arbeit konnte Dr. Staroßom ein für die Hirnforschung bisher nicht relevant erscheinendes Protein, eine Chitinase, als Schlüsselfaktor für immunvermittelte Oligodendrozyten-Reparatur identifizieren. Proteine dieser Familie werden aktuell als wertvolle Biomarker in der MS diskutiert. Ihre Funktion im ZNS war bis dahin jedoch völlig unbekannt. Die Preisträgerin zeigte nun erstmals, dass bestimmte Chitinasen essenziell für die körpereigene Oligodendrozyten-Reparatur sind und im Tiermodell signifikant zur Begrenzung der Krankheitssymptome der MS beitragen. Die Arbeiten der Sobek-Nachwuchspreisträgerin identifizieren damit eine völlig neue Verbindung zwischen autoimmuner Neuroinflammation und Myelinreparatur. Diese wissenschaftliche Entdeckung ist ein konzeptioneller Durchbruch und eine hervorragende Grundlage für die Entwicklung neuartiger klinischer Therapien.
Der 35-jährige Neuropathologe Privatdozent Dr. med. univ. Simon Hametner erforschte konsequent über mehrere Jahre die Frage, welche Bedeutung Eisenablagerungen im Hirngewebe haben, und dies vor allem in den chronischen MS-Läsionen. In einem ersten Schritt seiner Forschung lieferte der Neuropathologe eine umfassende Darstellung der durch Eisenablagerung bedingten Veränderung in den unterschiedlichen Erkrankungsstadien der MS, was für das Verständnis der Pathophysiologie der Entmarkung und Neurodegeneration essenzielle Bedeutung hat. „Die entscheidende Frage war, ob sich diese aus der Neuropathologie abgeleiteten Prozesse bei MS-Patienten schon zu Lebzeiten und ohne jegliche Gefährdung mit der Kernspin-Tomographie und -Spektrometrie erfassen lassen“, unterstrich Laudator Prof. Dr. Klaus V. Toyka, die Bedeutung der Forschungsarbeit. Dr. Hametner verglich die im MRI sichtbaren Veränderungen eines großen Kollektivs von MS-Patienten mit den Ergebnissen von neuropathologischen post mortem-Untersuchungen. Er fand heraus, dass Läsionen, die im MRI einen Eisenring aufweisen, chronisch aktive Herde sind. Am Läsionsrand sind Eisen-beladene Mikrogliazellen mit pro-inflammatorischer Aktivierung sichtbar. Alles deutet darauf hin, dass die Demyelinisierung bei MS Eisen freisetzt, das wiederum von anderen Hirnzellen aufgenommen wird, die einen Zellabbau durch oxidativen Stress verursachen. Die Anwesenheit von Eisen scheint die Progression der Neurodegeneration zu befördern. Die Studie wird kontinuierlich weitergeführt und ist in ihrer Art international bis dato einzigartig. Dr. Hametner hat mit seinen Forschungsarbeiten entscheidend und innovativ zu einem verbesserten Verständnis der immunpathologischen Abläufe der MS beigetragen.
„Mit ihren ganz unterschiedlichen Forschungsansätzen haben beide Nachwuchswissenschaftler die Grundlagenforschung der MS einen großen Schritt vorwärtsgebracht. Vorwärts im Dienste der weltweit etwa 2,5 Millionen MS-Erkrankten“, fasste Toyka die beispielhaften Forschungsarbeiten der beiden Nachwuchs-Preisträger zusammen.
Sobek-Forschungspreise
Bereits zum 20. Mal fand die Preisverleihung der Sobek-Stiftung in Zusammenarbeit mit AMSEL, Aktion Multiple Sklerose Erkrankter, Landesverband der DMSG in Baden-Württemberg e.V., und DMSG-Bundesverband in Stuttgart statt. Seit dem Jahr 2000 hat die Sobek-Stiftung aus Renningen über 2,1 Millionen Euro für herausragende und wegweisende wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Multiplen Sklerose und der benachbarten Grundlagenforschung an Sobek-Forschungspreisträger und Sobek-Nachwuchspreisträger vergeben. Ziel ist es, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der MS zu fördern.
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