Ja, nein, jein? Jugendliche und Studierende bei Verhaltensänderung unterstützen

Gefühlt nimmt die Zahl Jugendlicher und Studierender zu, die ‚keinen Plan‘ haben. „Ja, das Thema taucht immer wieder auf: Jugendliche, die die Schule verweigern oder keine Vorstellung von ihrer Zukunft haben. Oder Studierende, die keinen Anfang finden, wenn eine große Arbeit ansteht oder es nicht mehr schaffen, zur Uni zu gehen“, bestätigt Hans-Jürgen Haak, Referent an der Akademie des DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.), seine Erfahrungen im Rahmen der Jugend- und Familienberatung. Er äußert sich dazu, wie Ergotherapeuten mit betroffenen Studierenden und Jugendlichen arbeiten, damit diesen eine nachhaltige Verhaltensänderung ebenso gelingt wie eine stabile Eigenmotivation.

Was von außen wie Desinteresse oder Planlosigkeit wirkt, ist in Wahrheit oft eine innere Zerrissenheit, eine Ambivalenz, unter der die betroffenen Jugendlichen oder Studierenden stark leiden. „Sie sind meist so verstrickt in den eigenen Vorstellungen, dass sie schwer oder gar nicht mehr alleine aus ihrer Situation der Unklarheit herausfinden“, erklärt Haak und verdeutlicht, dass diejenigen sich ebenso in einer emotionalen Schleife von Frust, Resignation und Ärger über sich selbst befinden, wie ihr Umfeld, also Eltern oder Freunde. Diesen kann es aber durchaus gelingen, eine Wende einzuleiten. Wer Tipps benötigt, um den Zugang zu dem Betroffenen zu finden, kann sich informieren. Bei Einrichtungen wie etwa Familien- oder Jugendberatungsstellen oder anderen dafür ausgebildeten Profis wie Ergotherapeuten erfahren sie unter anderem, wie sie die vermeintlich lustlosen Jugendlichen empathisch, aber zielgerichtet ansprechen und motivieren können, externe Hilfe anzunehmen.

Professionelle Unterstützung für Jugendliche und Studierende suchen

Haak, der viele Jahre Erfahrung in der Jugendberatung hat, bevorzugt in solchen Fällen nach dem TTM, dem transtheoretischen Modell, vorzugehen, das die Verhaltensänderung in mehrere Stufen einteilt. Er betont: „Es ist maßgeblich für den Erfolg der Intervention, herauszufinden, in welchem Stadium sich diese Jugendlichen oder Studierenden gerade befinden.“ Die fünf Stadien sind die sogenannte Absichtslosigkeit, also das fehlende Problembewusstsein, die Bewusstwerdung mit anschließender Absichtsbildung sowie das konkrete Vorbereiten einer Verhaltensänderung, danach das Umsetzen und später das Aufrechterhalten der Veränderung. Mit diesem Modell arbeiten auch speziell geschulte Ergotherapeuten, an die Haak bei der Jugend- oder Familienberatung gerne weiterverweist. Er hält Ergotherapeuten für prädestiniert, da sie klientenzentriert arbeiten, sprich, sich unter anderem daran orientieren, was dem Gegenüber wichtig ist. Denn: Zu wissen, was dem nach außen planlos wirkenden Jugendlichen oder dem Studierenden, der sich nicht überwinden kann, an die Uni zu gehen, wichtig ist, ist zusammen mit dem Aspekt der Zuversicht es auch umsetzen zu können, die Basis für eine motivierende Gesprächsführung und daraus folgenden Verhaltensänderung. Motivierende Gesprächsführung ist ein Beratungsansatz, den Ergotherapeuten häufig anwenden und der in der psychotherapeutischen Arbeit zum Einsatz kommt.

Den Jugendlichen und Studierenden zuhören, Ursachen auf den Grund gehen

Nur wenn Wichtigkeit und Zuversicht bei den Betroffenen vorhanden sind, kann es weitergehen. Das leuchtet ein, betrachtet man Beispiele aus der Praxis. Der Experte berichtet von Jugendlichen, die, obwohl sie sicher sind, eine angedachte oder angefangene Ausbildung erfolgreich abschließen zu können, feststecken. Das kann darauf hindeuten, dass ein Jugendlicher noch nicht in der Entwicklungsphase ist, sich beruflich zu orientieren, aber etwas machen muss, weil er die Schule abgeschlossen hat. Manche Jugendliche lassen sich auch zu etwas ‚drängen‘, folgen den Wünschen der Eltern. „In dieser Situation irgendeine Ausbildung oder ein Studium zu beginnen oder fortzusetzen, schlägt leicht fehl. Wer sich nicht für die eingeschlagene Richtung interessiert, weil ihm das Thema nicht wichtig ist, er nicht dafür ‚brennt‘, wird allenfalls durch Druck oder Motivation von außen dabeibleiben. Glücklich und zufrieden wird damit aber niemand“, spiegelt Haak Fälle aus der Praxis wider und plädiert dafür, Jugendlichen, die noch unentschlossen sind, die nötige Zeit einzuräumen, damit sie den Weg finden können, der für sie richtig ist. Er erläutert weiter: „Sich bemühen, Widerstände und innere Hindernisse zu überwinden, gelingt dem, der einen Sinn in seinem Handeln sieht und dabei zuversichtlich ist, es zu schaffen.“

Ergotherapeuten gehen übers Tun…

Fehlt die Zuversicht, funktioniert es auch nicht. Haak schildert den Fall eines Studierenden, bei dem sich im der Lauf der Intervention herausstellte, dass er, obwohl sehr ambitioniert, eine Reihe von Misserfolgen bei dem Leistungssport, den er neben dem Studium betrieb, erzielte. Und deshalb Versagensängste entwickelt hatte, befürchtete, es könne ihm im Studium genauso ergehen. Der Gedanke, auch da zu scheitern, blockierte ihn – er war nicht zuversichtlich. Die nötige Eigenmotivation, der innere Antrieb, entsteht jedoch erst dann, wenn derjenige daran glaubt, dass er bei dem was er tut, erfolgreich sein kann.  Im ersten Schritt hieß es daher für den Studierenden lernen, die Angst zu akzeptieren. Und danach: testweise wieder Vorlesungen besuchen. Denn auch das hatte sich in den Gesprächen herauskristallisiert: das Studium war ihm sehr wichtig. „Das Schöne bei den Ergotherapeuten ist, dass sie übers Tun gehen, das ist ein total wertvoller Ansatz. So erleben die Klienten Erfolge, fühlen sich bestätigt in dem, was sie tun und das ermutigt sie, weiterzumachen“, weiß der Berater in Sachen Jugend und Familie.

… stärken und stabilisieren Selbstwirksamkeit und Eigenmotivation

Darüber hinaus ist es eine typisch ergotherapeutische Vorgehensweise, nach den Ressourcen des Einzelnen zu schauen. Dadurch stärken sie diese Jugendlichen oder Studierenden, nehmen ihnen das Gefühl, labil, nutzlos, unfähig – also ein Versager – zu sein, was das Umfeld in solchen Fällen manchmal ungewollt vermittelt. Wer dann erkennt, dass er doch etwas kann, Talente hat und dabei bestärkt wird, sich an seinen Fähigkeiten und Interessen zu orientieren, dessen Selbstwertgefühl wächst. Der verspürt beim Umsetzen Selbstwirksamkeit, was ein Zunehmen der Eigenmotivation sehr begünstigt. Ein wichtiger Punkt, der grundlegend ist für eine dauerhafte und nachhaltige Verhaltensänderung. Von außen unterstützen Ergotherapeuten diesen Prozess, indem sie die Aussagen ihrer jugendlichen oder studierenden Klienten aufgreifen, herausfiltern, was denjenigen motivieren würde weiterzumachen, wenn es ihm glückt. Gemeinsam legen sie dann Ziele fest. Wirken Ergotherapeuten dabei korrigierend, hat das einen guten Grund: Ziele müssen erreichbar sein. Und mit diesem Vorgehen lässt sich die eingeleitete Verhaltensänderung dauerhaft beibehalten.

Informationsmaterial gibt es bei den Ergotherapeuten des DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.); Ergotherapeuten in Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes im Navigationspunkt Service und Ergotherapeutische Praxen, Suche.

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