Was kann eine Lebensmittelampel?
Den Kunden im Supermarkt ist es kaum möglich, auf den ersten Blick den Zucker- oder Fettgehalt von Produkten zu vergleichen. Die EU-weit gesetzlich vorgeschriebenen Nährwertangaben reichen durchschnittlich informierten Verbrauchern kaum, um Kaufentscheidungen zu treffen. Die Nährwerttabellen mit Angaben zu Fett, Salz oder Kohlenhydraten finden sich in der Regel versteckt im Kleingedruckten auf der Rückseite der Verpackung. Auf der Verpackungsvorderseite dagegen stehen, werblich hervorgehoben, verwirrende Prozentangaben und irreführende Portionsgrößen, um selbst die größte Zuckerbombe wie eine ausgewogene Zwischenmahlzeit wirken zu lassen. Die derzeitig üblichen Nährwertangaben tragen damit dazu bei, dass Fehlernährung weit verbreitet ist – und immer mehr Verbraucher an Übergewicht und sogar Fettleibigkeit leiden. Studien belegen hingegen, dass farbliche Nährwertkennzeichnungen auch für eilige Kunden und weniger informierte Verbraucher am verständlichsten sind und dazu beitragen können, die Ernährung gesünder zu gestalten. Ärzteverbände und Krankenkassen haben sich ebenso für eine Ampel-Kennzeichnung ausgesprochen wie Verbraucherorganisationen und die OECD.
Warum gibt es keine Lebensmittelampel?
Der Bundesverband der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) sieht in einer Klassifizierung der Lebensmittel in Rot (ungesund), Gelb (eingeschränkt empfehlenswert) und Grün (gesund und ausgewogen) eine unzulässige Vereinfachung. Das ist auch sicherlich richtig. Doch diese Vereinfachung soll laut ARAG Experten nur als erste grobe Entscheidungshilfe gelten. Als die EU-Verordnung zur Lebensmittelkennzeichnung ausgehandelt wurde, haben sich die europäischen Politiker – nicht zuletzt unter dem Druck der Lebensmittelindustrie – jedoch gegen eine verpflichtende, standardisierte Farbkennzeichnung ausgesprochen. Die Lebensmittelampel war vom Tisch.
Nutri-Score: Freiwillige Einführung!
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft setzte nach dem europaweiten Aus für die Lebensmittelampel einmal mehr auf freiwillige Kennzeichnungen der Industrie – weitgehend ohne Erfolg. Doch nun kommt Bewegung in die alte Diskussion. Schon seit Beginn des Jahres hat ein großer französischer Milchproduktehersteller seine sämtlichen Artikel mit einer Farbkennzeichnung in deutschen Supermarktregalen liegen. Anders als bei der Ampel mit nur drei Kategorien (Rot, Gelb, Grün) weist die freiwillige Nährwertkennzeichnung namens Nutri-Score aus Frankreich fünf Kategorien (A, B, C, D, E) auf. Das System berücksichtigt einerseits den Gehalt an Kalorien, Zucker, Fett und Salz und andererseits empfehlenswerte Bestandteile wie Ballaststoffe, Proteine, Früchte oder Gemüse. Diese Werte werden zu einem Gesamtwert zusammengerechnet. Nutri-Score wurde im Oktober 2017 in Frankreich als freiwillige Nährwertkennzeichnung eingeführt und wurde von den französischen Verbrauchern als das am leichtesten erkennbare und am besten verständliche System bewertet. Das hat weitreichende Auswirkungen: So zieht ein führender deutscher Hersteller von Tiefkühlkost jetzt mit und kennzeichnet seine Produkte ebenfalls mit den neuen Logos.
Wie geht es weiter?
Bleibt es bei ein paar Vorzeigeunternehmen, die ihre Produkte freiwillig kennzeichnen? Ein wirklicher Vergleich des Lebensmittelangebotes bleibt dann für Kunden genauso schwierig wie bisher. Laut ARAG Experten soll allerdings zur Zukunft solcher Kennzeichnungen bis zum Sommer ein Modell auf dem Tisch sein, das den Nährwertgehalt „gegebenenfalls vereinfacht visualisiert“. So haben es Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart. Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hat schon Vorschläge in Aussicht gestellt, macht aber auch kein Hehl aus ihrer Skepsis gegen „vereinfachte“ Kennzeichnungen mit den Ampelfarben.
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