Ab sofort: Mehr Qualität in der Hilfsmittelversorgung

Aus für Hilfsmittel-Ausschreibungen: „Mit dem Inkrafttreten des TSVG am 11. Mai 2019 ist zugleich einem unwürdigen Preiskampf auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten ein Ende bereitet worden, bei dem zumeist das billigste und nicht das beste Angebot gewann“, begrüßt Klaus-Jürgen Lotz, Präsident des Bundesinnungsverbands für Orthopädie-Technik (BIV-OT) und Vertreter der Leistungserbringer im Hilfsmittelbereich, die entsprechende Regelung im neuen Gesetz. Dies stärke die qualitativ hochwertige Hilfsmittel-Versorgung im Sinne des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes (HHVG). Noch bestehende Ausschreibungsverträge verlieren sechs Monate nach Inkrafttreten des TSVG ihre Rechtswirkung.

„Mehr als 20 Millionen Hilfsmittel-Versorgungen gesetzlich versicherter Patientinnen und Patienten verzeichnen wie pro Jahr in Deutschland – Tendenz aufgrund des demografischen Wandels steigend“, so Lotz. In den letzten Jahren habe die zunehmende Praxis von Ausschreibungen seitens der Krankenkassen und der damit verbundene Preisdruck zu Qualitätseinbußen bei zahlreichen Hilfsmitteln wie zum Beispiel Inkontinenz- und Gehhilfen sowie zur Zerschlagung einer wohnortnahen Versorgung geführt.

„Der Gesetzgeber hat nun durch die Regelung im Rahmen des TSVG klargestellt, dass öffentliche Ausschreibungen als Mittel zur Vertragsanbahnung in der Hilfsmittelversorgung abgeschafft werden. Ebenso gehören damit Open-House-Diktatverträge* der Vergangenheit an“, unterstreicht Lotz. „Die Qualität und nicht der Preis soll demnach den höchsten Stellenwert bei der Versorgung mit Hilfsmitteln einnehmen. Das ist für Menschen, die auf Hilfsmittel angewiesen sind, eine sehr gute Nachricht, ermöglicht ihnen mehr Teilhabe und Lebensqualität.“

Hintergrund: Was ändert sich für Patientinnen und Patienten?

Geltungsbereich:

Die Abschaffung des Instruments „Ausschreibung“ gilt für alle medizinischen Hilfsmittel, die in den Versorgungsbereich des § 33 SGB V** fallen. Für die Versorgung mit Verbandsmitteln, Harn- und Blut-Teststreifen sowie die Versorgung mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung (künstliche Nahrungsversorgung wie „Sondennahrung“ oder auch nährstoffreiche Spezial-Trinknahrung) bleibt es bei der bisherigen Rechtslage, dass entsprechende Lieferverträge der Krankenkassen weiterhin durch Ausschreibungen vergeben werden können. Im Bereich der enteralen Ernährung werden von dieser Regelung nur die Nahrungsprodukte als solche, nicht jedoch die technische Ausrüstung für die Nahrungsgabe (Applikationshilfen) erfasst.

Generelles Vertragsprinzip:

Des Weiteren hat der Gesetzgeber klargestellt, dass für Hilfsmittel das Vertragsprinzip gilt: Demnach sind Versorgungsverträge mittels Vertragsverhandlungen zu schließen. In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber in seiner Begründung ebenfalls klargestellt, dass die Open-House-Praxis* für Hilfsmittel nach § 33 SGB V** nicht anwendbar ist.

Mehr Auswahl, weniger Aufzahlungen:

Im Hinblick auf die nach Einschätzung des Gesetzgebers überbordende Aufzahlungspraxis*** wurde nunmehr festgeschrieben, dass den Versicherten im Wege des Sachleistungsprinzips eine hinreichende Anzahl an mehrkostenfreien Hilfsmitteln zur Verfügung zu stellen ist. Diese Regelung war vormals explizit nur für den Bereich der Ausschreibungsverträge gültig. Nunmehr ist diese Vorgabe auch in jedem Verhandlungsvertrag zu berücksichtigen.

Sechs Monate Auslauffrist:

Für noch bestehende Ausschreibungsverträge zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TSVG hat der Gesetzgeber eine sechsmonatige Auslauffrist installiert, nach der die Ausschreibungsverträge ihre Rechtswirkung verlieren.

Der BIV-OT geht davon aus, dass Krankenkassen mit Ausschreibungsverträgen versuchen werden, diese innerhalb der Auslauffrist durch Verhandlungsverträge zu ersetzen. Einige Krankenkassen haben bereits laufende Ausschreibungsverfahren in Anbetracht der neuen Gesetzeslage ausgesetzt. Sollten diese Krankenkassen bei Inkrafttreten des Gesetzes weder einen Ausschreibungsvertrag für die betreffenden Produktgruppen noch einen Verhandlungsvertrag haben, können sie in der Übergangszeit per Einzelkostengenehmigung agieren.

Was tun bei Ausschreibung kurz vor Toresschluss?

Es ist möglich, dass eine Krankenkasse ein laufendes Ausschreibungsverfahren vor dem Inkrafttreten des TSVG abgeschlossen hat und die Ausschreibungspreise für den sechsmonatigen Übergangszeitraum anwenden will. Versicherte könnten dadurch vom Wechsel ihres Leistungserbringers betroffen sein. In diesem Fall rät der BIV-OT den Versicherten, sich auf die Regelung des § 33 Abs. 6 SGB V**** zu berufen und ein berechtigtes Interesse an der Versorgung mit dem angestammten Leistungserbringer geltend zu machen. Ein Verweis auf den Ausschreibungsgewinner muss nicht akzeptiert werden, denn das gesetzliche Krankenversicherungssystem ist als Einheit zu betrachten – und es ist keinem Versicherten zumutbar, lediglich für den Auslaufzeitraum von sechs Monaten einen Wechsel des Leistungserbringers zu vollziehen.

* Bei Open-House-Verträgen schreibt allein die Krankenkasse als mächtige „Einkäuferin“ alle Bedingungen wie Preis, Lieferfristen oder Qualität vor, nach denen Patienten mit Hilfsmitteln zu versorgen sind. Änderungen sind nicht zulässig, Verhandlungsspielraum besteht nicht. Jedes Unternehmen, das die definierten Voraussetzungen erfüllt, kann dem Vertrag während dessen Laufzeit jederzeit beitreten – muss den Vertrag jedoch ohne Wenn und Aber akzeptieren, bei Strafe des Ausschlusses von der Versorgung.

** § 33 SGB V siehe: https://www.gesetze-im-internet.de/…

*** Aufzahlung = wirtschaftliche Aufzahlung. Die Krankenkasse erstattet bei vielen Hilfsmitteln den sogenannten „Festbetrag“. Zu diesem Festbetrag erhält ein Versicherter ein Hilfsmittel, das ihn „ausreichend“ und „zweckmäßig“ versorgt. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über „das Maß des Notwendigen“ hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. Diese Mehrkosten nennt man wirtschaftliche Aufzahlung.

**** § 33 Abs. 6 SGB V siehe: https://www.gesetze-im-internet.de/…

Über Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik

Der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV-OT) vertritt als Spitzenverband des orthopädietechnischen Handwerks etwa 2.500 Sanitätshäuser und orthopädietechnische Werkstätten mit mehr als 40.000 Beschäftigten. Jährlich versorgen die angeschlossenen Häuser mehr als 20 Millionen Patienten mit Hilfsmitteln. Der BIV-OT steht in der Verantwortung des deutschen Gesundheitswesens und engagiert sich für die Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der Versorgungsformen.

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