Ein Prozent Wachstum und 2.000 neue Arbeitsplätze möglich

„Nach einem guten Jahresstart verlor die Saarwirtschaft unter dem Eindruck schwelender Handelskonflikte und der nach wie vor ungelösten Brexitfrage zunehmend an Fahrt. Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass die Saarwirtschaft in besonderem Maße von der weltwirtschaftlichen Entwicklung abhängig ist. Denn anders als im Bund sind die Binnenkräfte im Saarland strukturell zu schwach, um eine mangelnde Exportdynamik auszugleichen. Zur Eintrübung beigetragen haben auch Sondereffekte im Fahrzeugbau. Für 2018 rechnen wir daher nur mit einem Mini-Wachstum von 0,2 Prozent. Das ist erneut deutlich weniger als im Bund, der dieses Jahr wohl ein Wachstum von 1,5 Prozent realisieren dürfte. Auf der Habenseite zu verbuchen ist dagegen die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, wo die Beschäftigung einen Rekordstand erreicht hat und die Arbeitslosigkeit auf den niedrigsten Stand seit Anfang der 90er Jahre gefallen ist.“ So beurteilten IHK-Präsident Dr. Hanno Dornseifer und IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Heino Klingen die Entwicklung der Saarwirtschaft im Jahr 2018.

Für 2019 zeichnet sich ein schwieriges, aber kein schlechtes Jahr für die Saarwirtschaft ab. Die Weltwirtschaft wird voraussichtlich mit einer Rate von 3,5 Prozent wachsen. In der deutschen Automobilindustrie dürften sich die Verhältnisse nach Auslaufen des WLTP-Effekts und der inzwischen erfolgten Bodenbildung bei den Dieselzulassungen stabilisieren und normalisieren. Der private Konsum wird die Saarkonjunktur weiter stützen – allerdings ohne signifikante Schubkraft. „Unter der Voraussetzung, dass keine US-Strafzölle auf deutsche Autoimporte erhoben werden und der Brexit ohne die Einführung von Zöllen vollzogen wird, erwarten wir für das kommende Jahr ein Saarwachstum von 0,5 bis 1,0 Prozent“, so Dornseifer.

Dämpfer vom Export

Den Einschätzungen der IHK liegt eine detaillierte Analyse der saarländischen Industrie zugrunde. Danach musste diese in 2018 sowohl bei Umsätzen als auch bei Auftragseingängen Rückgänge verzeichnen. In den ersten zehn Monaten des Jahres gingen die Umsätze im verarbeitenden Gewerbe um insgesamt 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurück (Bund: +3,7 Prozent). Maßgeblich hierfür war insbesondere die rückläufige Auslandsnachfrage. Sie verringerte sich in diesem Zeitraum um 2,2 Prozent. Vor allem die Ausfuhren in die wichtigen Absatzmärkte Großbritannien (-12,3 Prozent), Italien (-10,1 Prozent), Spanien (-3,8 Prozent) und USA (-3,2 Prozent), aber auch nach Russland (-29,7 Prozent), in die Türkei (-25,7 Prozent) und nach China (-13,7 Prozent) waren davon betroffen. Diese Rückgänge konnten nicht durch die Zunahme der Exporte nach Frankreich (+2,2 Prozent), Österreich (+3,9 Prozent) und in die Niederlande (+5,1 Prozent) kompensiert werden. „Damit zeichnet sich ab, dass der Exportrekord des Vorjahres in Höhe von 16,6 Milliarden Euro in diesem Jahr nicht erreicht wird“, so Klingen.

Blick in die Branchen: Licht und Schatten

Der Blick in die Branchen zeigt ein gespaltenes Bild. Die größten Umsatzeinbußen mussten die Fahrzeugindustrie und der Maschinenbau verschmerzen. In diesen beiden an der Saar besonders eng verzahnten Branchen fielen die Erlöse in den ersten zehn Monaten um 8,9 bzw. 2,9 Prozent. Aber auch im Ernährungsgewerbe sank der Umsatz um 1,9 Prozent. Hier wirkte sich vor allem das schwache Pfund im Handel mit Großbritannien negativ aus.

Erlössteigerungen verzeichneten dagegen die Elektroindustrie (+36,2 Prozent), die Hersteller von Metallerzeugnissen (+8,3 Prozent), die Gummi- und Kunststoffindustrie (+7,1 Prozent), die Gießereien (+2,4 Prozent), die Keramikindustrie (+1,1 Prozent). Die Stahlindustrie, eine Kernbranche der Saarwirtschaft, konnte trotz der Einführung von US-Strafzöllen auf Stahlimporte ein Umsatzplus von 4,0 Prozent verzeichnen.

Bei den Auftragseingängen musste das Verarbeitende Gewerbe im Saarland insgesamt einen Rückgang von 0,9 Prozent in den ersten zehn Monaten verbuchen, während bundesweit ein Zuwachs von 2,7 Prozent in den Büchern steht. „Das unterstreicht, dass das kommende Jahr im Saarland kein Selbstläufer wird“, so Dornseifer.

Aussichten: Verhalten optimistisch

Vor diesem Hintergrund ist die IHK für 2019 vorsichtig positiv gestimmt. Chancen bestehen vor allem beim Export. Zwar bleibt die Weltwirtschaft wegen der zahlreichen geopolitischen Krisen unter ihren Möglichkeiten, aber es geht weiter aufwärts – wenn auch nur mit gebremstem Schwung. Die OECD sagt für 2019 ein Wachstum des weltweiten Sozialprodukts von 3,5 Prozent voraus. „Tritt diese Vorhersage ein, dann wird auch die exportstarke Saarwirtschaft davon profitieren. Wir erwarten deshalb für die Saarexporte in 2019 ein Plus von drei Prozent“, so Klingen. Zum Wachstum beitragen dürfte auch der private Verbrauch, der von der positiven Arbeitsmarktentwicklung und steigenden Einkommen profitieren wird. Wegen der weiter rückläufigen Bevölkerungszahl halten sich die Wachstumsbeiträge von dieser Seite allerdings in engen Grenzen. Von der Nachfrage nach Investitionsgütern dürften dagegen nur geringe Wachstumsbeiträge kommen. Dies gilt auch für die öffentliche Hand, die zwar im kommenden Jahr mehr investieren will, aber noch nicht über die Mittel verfügt, die für einen kräftigen Konjunkturimpuls nötig wären.

Arbeitsmarkt: Bis zu 2.000 neue Arbeitsplätze

Der saarländische Arbeitsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren außerordentlich gut entwickelt. Die Beschäftigung ist im Trend kontinuierlich gestiegen und erreichte 2018 mit durchschnittlich rund 390.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ein neues Rekordniveau. Angesichts großer Bedarfe im Dienstleistungs- und  sozialpflegerischen Bereich wird die Beschäftigung auch 2019 weiter steigen. Allerdings dürfte der weitere Stellenaufbau wegen fehlender Fachkräfte und der absehbaren Kapazitätsanpassungen im Fahrzeugbau (-2.000 bis -2.500 Beschäftigte) und in der Call-Center-Branche (-300) zunehmend an Grenzen stoßen. Klingen: „Insgesamt erwarten wir im Jahresschnitt 1.500 bis 2.000 zusätzliche Arbeitsplätze und eine Arbeitslosenquote von rund sechs Prozent im Jahresdurchschnitt“.

Wachstumskräfte stärken

Das Saarland ist wirtschaftlich stärker als das in den aktuellen Zahlen zur Wirtschaftsentwicklung zum Ausdruck kommt. Auf mittlere Sicht hat es sogar ausgesprochen gute Wachstumsperspektiven. Dafür sprechen nicht zuletzt das weit verbreitete industrielle Know-how, der durchweg hohe Ausbildungsstand der Arbeitnehmerschaft und eine zukunftsorientierte Forschungslandschaft. Um die vorhandenen Potenziale aber gebührend zur Geltung zu bringen, bedarf es einer konsequenten Ausrichtung der Finanz- und Wirtschaftspolitik auf wirtschaftskraftstärkende Investitionen. Die ab 2020 über den neuen Bund-Länder-Finanzausgleich ins Land fließenden Mittel sollten deshalb zu einem guten Teil hierfür eingesetzt werden. Dazu gehören aus Sicht der IHK vor allem Leitinvestitionen in den Bereichen Städtebau und Verkehr, Messen und Kongresse sowie Schulen und Hochschulen. Die dafür erforderlichen fachplanerischen Kapazitäten sollten schon jetzt aufgebaut werden.

Mindestens ebenso wichtig ist, dass die Landesregierung endlich das im Koalitionsvertrag angekündigte Standortaufwertungsprogramm auf den Weg bringt. Denn überdurchschnittlich hohe Standortkosten dämpfen private Investitionen. Gerade mit Blick auf die Herausforderungen der automobilen Wende gilt es sicherzustellen, dass Investitionen im Saarland sich wenigstens so gut rentieren wie andernorts. Dornseifer: „Es wäre fahrlässig, wenn wir die Chancen, die unser Land zweifellos hat, nicht ergreifen würden.“

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