Die aufwändige Untersuchung mache den Handlungsbedarf überdeutlich, erklärt Prof. Dr. Thomas Brockmeier, Hauptgeschäftsführer der federführenden Industrie- und Handelskammer (IHK) Halle-Dessau: „Auf alle sachsen-anhaltischen Azubis hochgerechnet ergibt sich pro Schultag eine Strecke von mehr als einer Million Kilometer – allein für die Anfahrt!“ Wer nicht wohnortnah, aber immerhin in Sachsen-Anhalt beschult werde, fahre im Schnitt fast 100 Kilometer je Schultag hin und zurück¸ dies betreffe knapp drei Viertel des Fachkräftenachwuchses. Die Analyse zeige: Fast jeder fünfte Auszubildende könnte rund 25 Kilometer pro Fahrt sparen, wenn eine nähergelegene Berufsschule besucht werden dürfte. „Aber das Schulgesetz macht bisher noch die Landkreisgrenzen zu unüberwindlichen Barrieren – und das muss sich dringend ändern“, betont Brockmeier.
Vor diesem Hintergrund sei es außerdem schwer verständlich, wenn der Berufsschulunterricht zukünftig nicht besser, sondern faktisch sogar schlechter organisiert würde als zuvor, ergänzt Dirk Neumann, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Halle. Er bezieht sich damit auf Pläne der Landesregierung, verschiedene Ausbildungsberufe auch bei identischem Rahmenlehrplan nicht mehr gemeinsam zu beschulen; das könnte die Wege für die Azubis sogar verlängern. „Wir fordern: Diese Form der Beschulung sollte auch für die Zukunft gewährleistet werden, da sie sich über viele Jahre bewährt hat – Lehrlinge, Betriebe und Innungen waren zufrieden!“. Laufende Verhandlungen mit dem Bildungsministerium stimmten ihn optimistisch, so Neumann, auch unterschiedliche Berufe mit gleichen Lernfeldern künftig in ortsnäheren Schulstandorten gemeinsam unterrichten zu können.
Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg, erneuert in diesem Zusammenhang die Forderung der vier Kammern nach einem Azubi-Ticket auch für Sachsen-Anhalt: „Um eine Gleichbehandlung von Auszubildenden und Studierenden zu erreichen, brauchen wir ein Azubi-Ticket. Damit können sowohl die Folgen der zunehmenden Zentralisierung von Schulangeboten etwas gelindert als auch der ÖPNV auf dem Land gestärkt werden.“ Außerdem gehörten die Erstattung von Internats- und Fahrtkosten dringend auf den Prüfstand, gerade in einem Flächenland wie Sachsen-Anhalt, fügt Grupe hinzu.
Wolfgang März, Hauptgeschäftsführer der IHK Magdeburg fordert überdies, finanzielle Fehlanreize zu beseitigen: „Bei zentralen Festlegungen zu Berufsschulstandorten ist es nicht förderlich, dass Landkreise und kreisfreie Städte für Auszubildende, die sie an andere Kommunen abgeben (müssen), einen sogenannten Gastschulbeitrag zahlen und damit ihren Haushalt schmälern.“ März hebt hervor: Berufsbildende Schulen müssten planungssicher in die finanzielle Lage versetzt werden, über regionale Grenzen hinweg – auf Antrag und Wunsch von Unternehmen – Auszubildende aufzunehmen oder abzugeben. März: „Berufsschulstandorte müssen wohnort- und betriebsnäher angeboten werden!“
Die Handwerkskammern Halle (Saale) und Magdeburg sowie die Industrie- und Handelskammern Halle-Dessau und Magdeburg stehen für insgesamt rund 130.000 Unternehmen mit etwa 650.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Für die Berufsschulstandortanalyse Sachsen-Anhalt 2018 hat die isw GmbH Halle im Frühjahr 2018 alle 6.662 Ausbildungsunternehmen mit insgesamt 23.485 Azubis kontaktiert. Rund zwei Drittel von ihnen haben geantwortet.
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