Ein kritisches Plädoyer für Europa

Mit einer Deutschen Erstaufführung startet am Freitag, dem 5. Oktober das Schauspiel Essen in seine neue Saison: Ab 19:30 Uhr ist im Grillo-Theater Brüssel der Schauplatz des Geschehens. Hier spielt Robert Menasses Roman „Die Hauptstadt“, für den der österreichische Schriftsteller 2017 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde. Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer hat auf der Grundlage des Bestsellers eine eigene Bühnenfassung erstellt, die – wie die Vorlage – einen spannenden, unterhaltsamen und zugleich bissigen Blick auf ein Europa wirft, dessen Zusammenhalt Menasse durch nationalistische Bestrebungen ernsthaft gefährdet sieht.

Im Stück geht es um eine bunte Mischung unterschiedlichster Figuren. Da gibt’s beispielsweise Fenia Xenopoulou. Sie konnte in der Europäischen Kommission schon einige Sprossen der Erfolgsleiter erklimmen, doch jetzt hat es sie ausgerechnet in die Generaldirektion Kultur verschlagen. Um dieser Sackgasse der Bedeutungslosigkeit schnellstmöglich zu entfliehen, kommt ihr der Auftrag, das Image der EU-Kommission mit einer Feier zum 50-jährigen Jubiläum aufzupolieren, gerade recht. Als kompetente Führungskraft delegiert sie diese Aufgabe an den Referenten Martin Susmann, der eine Idee entwickelt, die tatsächlich für Aufsehen sorgt – wenn auch nicht so, wie Fenia das im Sinne hatte. Parallel dazu berät ein Think Tank über die Zukunft Europas, zieht einer der letzten Überlebenden des Holocaust in ein Brüsseler Altersheim, geschieht ein Mord, der schneller vertuscht ist als der Kommissar die Ermittlungen aufnehmen kann, und läuft ein herrenloses Schwein durch die Straßen der belgischen Hauptstadt. Und während EU-Beamtinnen und Beamte bilateral verhandeln und perfide Machtspiele initiieren, Anträge und Ideen in bürokratischen Formalitäten versanden, während ein Mörder nach Polen flieht, ein emeritierter Professor letzte Worte vorbereitet und Vertreter der EU-Nationen an der Überwindung des Nationalismus scheitern, sucht Brüssel nach einem Namen für das herumirrende Schwein.

Virtuos verknüpft Menasse zahlreiche Biografien zu einem Reigen über Schuld und Ideale, Politik und Geschichte, Bürokratie und Lobbyismus, Sehnsucht und Tod. Dabei gelingt ihm ein ebenso leidenschaftliches wie kritisches Plädoyer für Europa und gegen das leichtfertige Aufgeben gemeinsam erzielter Errungenschaften.

Im Bühnenbild von Thilo Reuther und den Kostümen von Michael Sieberock-Serafimowitsch spielen Thomas Büchel, Daniel Christensen, Floriane Kleinpaß, Ines Krug, Jan Pröhl, Sven Seeburg.

Die Inszenierung am Schauspiel Essen wird gefördert von der Sparkasse Essen.

Eintritt: € 14,00 – 37,00. Karten unter 0201/81 22-200 oder online unter www.schauspiel-essen.de

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