Kletter- und Boulderwände sicher betreiben: TÜV SÜD gibt Tipps

Auf immer mehr öffentlichen Spiel- und Freizeitgeländen gehören Boulderwände zum festen Inventar. Im Freien unterliegen die Kletteranlagen vielen schädlichen Einflüssen. Verwitterung, hohe Belastungen und starke Abnutzung sind nur einige Faktoren, die die Sicherheit beim Klettern beeinträchtigen können. Aber auch im Indoor-Bereich müssen Betreiber regelmäßige Prüfungen der künstlichen Kletteranlagen sowie der entsprechenden Sicherungsmittel durchführen lassen. Experte Roland Zwickl von TÜV SÜD beschreibt, worauf es ankommt.

Was ist eine Kletterwand, was ist ein Boulderwand?
Kletterwände – auch Toprope-Wände genannt – findet man nur selten frei zugänglich. Sie sind meistens auf Schulgeländen, in Turnhallen oder bei Klettersportvereinen anzutreffen. Das liegt an der höheren Sachkenntnis, die bei der Benutzung nötig ist. Mit einem Seil gesichert können Kletterer in größere Höhen vordringen. Dazu wird auch immer eine Person zur Sicherung des Seils benötigt. Im Gegensatz dazu besteht für die Boulderwand keine besondere Aufsichtspflicht. An ihr kann jeder ohne Sicherung horizontal und in geringe Höhen klettern und einfach abspringen.

Welche Vorgaben gibt es für die Kontrolle von Kletter- und Boulderwänden?
Die Prüfung von Kletter- und Boulderwänden ist in der europäischen Norm DIN EN 12572 geregelt, die seit 2007 in Kraft ist. Teil 1 regelt dabei Kletteranlagen mit Sicherungspunkten, Teil 2 beschreibt die Wartung von Boulderwänden und Teil 3 befasst sich mit den Anforderungen an die Klettergriffe. Der Betreiber muss dafür sorgen, dass die Anlagen regelmäßig geprüft und gewartet werden. Da Boulderwände auf öffentlichen Flächen jederzeit nutzbar sind, ohne dass die Kletternden dafür spezielle Kenntnisse oder Fähigkeiten haben müssen, gilt für diese Anlagen die „Spielplatznorm“ DIN EN 1176.

Wie und wie oft muss eine künstliche Kletteranlage geprüft werden?
TÜV SÜD empfiehlt vor jeder Inbetriebnahme einer Kletter- oder Boulderwand eine Erstinspektion. Dabei führt der Sachverstän­dige an Kletterwänden eine Zugprüfung der Sicherungshaken durch, um die Belastbarkeit mit bis zu 600 Kilogramm sicherzustellen. Auch mögliche Montagefehler und die Beschaffenheit des Aufprallschutzes werden gecheckt. Grundsätzlich sollten nur Wände namhafter Hersteller mit vorhandenem statischem Nachweis angeschafft werden. Ist die Kletterwand in Betrieb, schreibt die DIN EN 12575-1 regelmäßige Inspektionen vor. Das Gleiche gilt für Boulderwände nach DIN EN 12575-2 beziehungsweise DIN EN 1176-7.

Es gibt drei Arten der Inspektion:

  1. Regelmäßige visuelle Inspektion: Je nach Frequentierung der Anlage oder bei Gefahr von Vandalismus kann eine tägliche visuelle Inspektion notwendig sein. Dabei können auch Laien ohne Einsatz von Hilfsmitteln vom Boden aus offensichtliche Mängel und Gefahrenquellen an der Vorderseite der Kletterwand erkennen.
  2. Operative Inspektion: Bei der operativen Inspektion, die alle ein bis drei Monate durch geschultes Personal durchgeführt werden sollte, werden Funktion und Stabilität der Anlage geprüft und dokumentiert.
  3. Hauptinspektion: Einmal jährlich müssen Fachleute den aktuellen Sicherheitszustand der Kletteranlage, ihrer Fundamente, der tragenden Konstruktion und der Wandoberflächen prüfen. Dabei ist auf Verschleiß, Korrosion und Witterungseinflüsse zu achten. Besondere Aufmerksamkeit sollten sie den Sicherungspunkten, der tragenden Konstruktion und der Unterkonstruktion der Kletteranlage widmen. Dabei gilt es, die Wartungsanleitung des Herstellers zu beachten und eine schriftliche Dokumentation anzufertigen.

Wer darf die Kontrollen der künstlichen Kletteranlagen durchführen?
Für wöchentliche Sichtkontrollen sind keine besonderen Fachkenntnisse erforderlich, da nur offensichtliche Mängel erkannt werden müssen. Empfehlenswert ist dennoch die Prüfung durch Kletterer oder – bei Schulen und Kindergärten – durch pädagogische Leiter. Anders ist das bei operativen Inspektionen und den jährlichen Hauptinspektionen. Diese Prüfungen sind durch Sachkundige durchzuführen, die fundiertes Wissen benötigen und regelmäßig geschult werden müssen.

Was ist speziell bei frei zugänglichen Boulderwänden zu beachten?
Laut Norm 12575-2 dürfen jederzeit benutzbare Boulderwände eine maximale Höhe von 3 Metern nicht überschreiten, in Kindergärten maximal 2 Meter. Wenn sie – beispielweise auf öffentlichen Freiflächen – nicht gegen unsachgemäße und unkontrollierte Benutzung zu sichern sind, werden die Boulderwände als Spielplätze angesehen, welche die Anforderungen der Norm DIN EN 1176 erfüllen müssen. Beim Aufbau der Wand muss auf ausreichend Raum für die Aufprallfläche geachtet werden. Die Größe richtet sich nach der maximal möglichen Fallhöhe und soll mindestens 1,5 m betragen. Je nach möglicher Fallhöhe ist dämpfender Untergrund wie Rasen oder stoßdämpfender Untergrund, zum Beispiel Rindenmulch oder Sand, vorgeschrieben. Sachkundige dürfen die Befestigungspunkte für Griffe und Tritte einer Boulderwand selbst anbringen, wenn sie die Montageregeln beachten. Die Griffe und Tritte müssen von einer Fachfirma bezogen werden.

Was ist speziell bei Kletter- oder Toprope-Wänden zu beachten?
Kletterwände dürfen nur unter sachkundiger Aufsicht benutzt werden. Ist kein geschultes Personal vor Ort, müssen die Wände gegen unbeaufsichtigtes Beklettern gesichert werden. Dies ist beispielsweise durch davor gestellte und sicher befestigte Weichbodenmatten im Innenbereich, durch Einzäunung bei Außenanlagen oder durch das Abschrauben der Griffe und Tritte möglich. Außerdem müssen Seile sicher weggesperrt sein.

Welche Risiken treten bei Kletter- und Boulderwänden am häufigsten auf?
Bei Kletter- und Boulderwänden sind gelockerte und gerissene Haltegriffe ein häufiger Mangel, auf den es zu achten gilt. Bei Kletterwänden müssen zusätzlich die Haken für die Sicherungsseile auf Lockerung geprüft werden. Hier ist auch besonders auf die Kletterausrüstung zu achten, die ebenfalls der Prüfpflicht unterliegt. Auch der Fallschutzbelag bei Boulderwänden ist zu prüfen – ist er durch Alter und Nutzung hochverdichtet, schützt er nur noch unzureichend.

Wie erlange ich Sachkunde?
TÜV SÜD bietet Lehrgänge mit umfangreichem Expertenwissen zu Anforderungen aus den Normen, typischen Unfallquellen und Mängelbildern der Bauteile an. Außerdem gibt es Tipps zum Ablauf der Prüfungen mit Empfehlungen für das weitere Vorgehen. Damit Sachkundige bei der Prüftätigkeit nicht selbst in Gefahr geraten, wird auch das Thema Eigensicherung und persönliche Schutzausrüstung behandelt.

Über die TÜV SÜD AG

Im Jahr 1866 als Dampfkesselrevisionsverein gegründet, ist TÜV SÜD heute ein weltweit tätiges Unternehmen. Mehr als 24.000 Mitarbeiter sorgen an über 1.000 Standorten in rund 50 Ländern für die Optimierung von Technik, Systemen und Know-how. Sie leisten einen wesentlichen Beitrag dazu, technische Innovationen wie Industrie 4.0, autonomes Fahren oder Erneuerbare Energien sicher und zuverlässig zu machen. www.tuev-sued.de

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