Kampf um den Familienbetrieb

Ludwig Schletter hätte sich frustriert zurückziehen und jeden Tag gleichgültig an dem Unternehmen vorbeifahren können, das seinen Familiennamen trägt und in dessen Nähe er bis heute zu Hause ist.

Der Sohn des einstigen Firmengründers will aber nicht länger kampflos zusehen, wie die seit 2015installierte Interims-Geschäftsführung "den Betrieb Stück für Stück demontiert, Mitarbeiter freisetzt und die verbleibenden Reste nun an einen anonymen Finanzinvestor verkauft, nachdem sie das Unternehmen zuvor in die Insolvenz manövriert hat." Den OVB-Heimatzeitungen verriet er, wie er den Haager Montagespezialisten mit Weltruf wieder zu alter Stärke bringen will.

Die Schletter Gruppe hat im März Insolvenz angemeldet, und es heißt, im Zuge des Investorenprozesses hätten sich konkrete Kaufinteressen herausgebildet. Zuletzt berichtete das Unternehmen, noch im Juni könnten die entsprechenden Verträge unterzeichnet werden.

Viele Investoren sind insbesondere an den erheblichen Sachwerten des Unternehmens interessiert, und sehen hier die Gelegenheit, im Rahmen einer Unternehmensübernahme nicht betriebsnotwendiges Kapital zu veräußern und damit Profite zu erzielen. Dass sich mit der Veräußerung von Produktionseinrichtungen das Geschäftsmodell nachteilig ändert, und vor allem, dass dabei ein Großteil der Mitarbeiter nach Hause geschickt wird, ist anscheinend nicht von Interesse. Denn die Kosten der Mitarbeiterfreisetzung gehen ja zulasten der Insolvenzmasse, so die Denke dieser Investoren.

Unternehmen wieder an die Weltspitze

Wir gehen da anders heran: trotz der harten Einschnitte im Unternehmen ist ein wertvoller Kern immer noch vorhanden. Und im Gegensatz zu den anderen Investoren sprechen wir nicht von den Sachwerten, sondern insbesondere von den Mitarbeitern mit ihrem Know-how – dem Humankapital – und von der Marktpositionierung der weltweit aufgestellten Gruppe. Hiermit haben wir nach wie vor eine sehr gute Ausgangsbasis, um das Unternehmen wieder erfolgreich zur Weltspitze zu führen. Und deswegen haben wir noch vor dem Insolvenzantrag ein Kaufangebot unterbreitet, das praktisch jederzeit umgesetzt werden kann. Unser Angebot haben Gutachter geprüft und auch die Finanzierer stehen dahinter. Schon ab erstem Juli können wir die operativen Geschäfte übernehmen. Dies unterscheidet uns von anderen Investoren, die vielleicht kurzfristig Verträge unterzeichnen aber wohl erst irgendwann später im Juli startklar sein können.

Sie wollen das Unternehmen Ihrer Familie also zurück erwerben – wie ist das Echo darauf im Betrieb?

Das kann ich nicht sagen – bis jetzt wurden wir von der aktuellen Geschäftsführung regelrecht ausgebremst, hatten bis vor knapp einer Woche keinen Zugang zu den erforderlichen Unterlagen im Unternehmen. Die Mitarbeiter scheinen eingeschüchtert worden zu sein, jedenfalls darf wohl niemand Kontakt zur ehemaligen Eigentümerfamilie aufnehmen. Im Betrieb muss ein Klima der Angst herrschen. Ich gehe aber davon aus, dass es ein positives Echo darauf geben wird, dass wir nahezu alle Mitarbeiter übernehmen möchten, und ihnen mit dem Ausbau des Geschäfts – basierend auf einer sehr auskömmlichen Finanzbasis durch unsere Investoren – eine sichere Zukunft darstellen werden. Dagegen ist von den anderen Investoren beabsichtigt, einen Großteil der Mitarbeiter kurzfristig freizustellen. Dies wäre eine Katastrophe für die betroffenen Familien und für die Region.

"Hätte ich geahnt, dass die Abgabe der Geschäftsführung eine solch negative Entwicklung nach sich zog, hätte ich anders gehandelt." Ludwig Schletter Sie haben 2014/2015 die Geschäfte an eine neue Leitung abgegeben, das hätte eine neue Chance für Schletter sein können. Aber wie es aussieht, ist vieles schief gelaufen. Wie beurteilen Sie die Situation von damals im Nachhinein?

Der Solarmarkt brach bereits 2013, 2014 ein, was für uns damals einen Verlust von gut 85 Prozent der Aufträge bedeutete. Von 7,5 Gigawatt schrumpfte das Marktvolumen auf 0,9 Gigawatt im Jahr. Wir sind aber nicht durch Misswirtschaft in die Schieflage gekommen, sondern durch die Verwerfungen, die die Politik am Markt vorgenommen hat. Ich sehe uns als "politisches Opfer". Natürlich gebe ich aber auch selbstkritisch meine unternehmerischen Fehler zu – wir haben die Zeichen der Zeit damals einfach zu spät erkannt. In diesem Stadium der Verunsicherung wollten wir dann alles richtig machen, und haben daher zum Wohl der Firma und auf Empfehlung unserer Banken die Geschäfte an ein mit solchen Situationen erfahrenes Management um Tom Graf abgegeben. Damals wurde dann auch ein Restrukturierungsplan erstellt, wonach das Unternehmen wieder einen Wert von rund 180 Millionen Euro erreichen sollte. Hätte ich geahnt, dass die Abgabe der Geschäftsführung eine solch negative Unternehmensentwicklung nach sich zog, die trotz deutlich erholter Marktsituationen in einer Insolvenz gipfelte, hätte ich anders gehandelt. Das hätte ich nämlich auch fertig gebracht (lacht). Dann wären allerdings den Unternehmensberatern und Anwälten zweistellige Millionenbeträge entgangen.

Welche Summe steht jetzt als Unternehmenswert im Raum?

Nachdem das Geschäft schon deutlich zurückgefahren wurde, und in den vergangenen Monaten viele Maschinen verkauft worden sind, liegen wir hier nur noch im unteren zweistelligen Millionenbereich. Also deutlich über Hundert Millionen Euro weniger als der Wert, der noch vor gut zwei Jahren taxiert worden ist.

Die Geschäftsführung um Tom Graf hat es also nicht geschafft, das Unternehmen wieder voranzubringen. Ihr neues Konzept soll tragfähiger sein? Haben Sie keine Sorge, dass es zu spät sein könnte?

Schletter ist trotz der momentanen Lage ein weltweit in der Branche bekannter Markenname, davon zehren wir bis heute. Das haben wir uns hart erarbeitet und das lassen wir uns nicht nehmen. Außerdem bin ich lange genug in diesem Geschäft tätig, um unsere Chancen beurteilen zu können, ich kenne den Markt. Die Solarbranche hat allein in Deutschland zuletzt um gut 40 Prozent zugelegt, davon hätte auch Schletter profitieren können. Das hat der Betrieb unter der jetzigen Geschäftsführung aber nicht. Sie sind vielmehr weit vom einst vereinbarten Restrukturierungsplan abgewichen, der eine marktentsprechende Entwicklung vorsah. Das bedeutet, dass dieses Management versagt hat. Seit zwei, drei Jahren hat man nicht mehr in Innovationen investiert, das gilt es freilich ebenfalls wieder aufzuholen. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen werden. Mein Plan ist, die gesamte noch bestehende Belegschaft zu übernehmen und den Standort in Haag zu halten und auszubauen.

"Wir sind überzeugt, dass unser Konzept aufgeht, wenn wir als Käufer zum Zug kommen." Ludwig Schletter

Stichwort Halten: Wer hält zu Ihnen?

Ich habe in den vergangenen Jahren ein großes Netzwerk aufgebaut und nach wie vor Kontakt zu früheren Kunden – auch zu kompetenten Führungskräften, von denen ich weiß, dass sie bereit sind, mit mir anzupacken. Daneben steht mir ein professioneller und langfristig denkender, mittelständischer Finanzinvestor zur Seite, der sich auf solche Situationen spezialisiert hat und der bankenunabhängig agieren kann. Dies ist sehr wichtig für das anstehende Wachstum, da wir dann mehr das Auge auf operativen Erfolgen als auf Finanzkennzahlen haben.

Wie schwer ist für Sie der Gedanke, dass Schletter möglicherweise zerschlagen wird? 1968 war das Gründungsjahr der Firma, 2018 hätten Sie eigentlich ein Jubiläum zu feiern.

Das kann man nicht ausblenden, und es ist eine psychische Belastung für unsere Familie. Aber es ist auch eine Frage der mentalen Stärke. Wir sind und waren immer schon eine bodenständige Unternehmerfamilie und ich habe beschlossen, nicht aufzugeben. Wir sind überzeugt, dass unser Konzept aufgeht, wenn wir als Käufer zum Zug kommen. Der Markt würde uns mit offenen Armen empfangen. Interview: Elisabeth Sennhenn

Firmenkontakt und Herausgeber der Meldung:

Schletter Solar GmbH
Alustrasse 1
83527 Kirchdorf / Haag i.OB
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